Es sind ja einige Elterntiere unter euch und vielleicht könnt ihr mir bei diesem offtopic-Grundsatzproblem helfen.
Ja, ich bin ehrlich verunsichert. Mein Sohn (10) hat seit einem halben Jahr eine Nintendo Wii Spielkonsole und seit zwei Jahren einen Nintendo DS, seit ein paar Wochen einen PC und jetzt auch einen super-Flatscreen, der natürlich einlädt zu Spielen, im Internet zu Surfen, bei youtube Lady GAGA anzusehen, etc. pp.
Nun macht mich das sehr misstrauisch, denn ich habe unterschwellig die Befürchtung, dass seine Kindheit sich dadurch verschlechtert. Kann auch sein, dass ich das zu dramatisch sehe. Aber ich bin als Kind quasi im Wald groß geworden, wenigstens im Garten vor dem Haus und ein bisschen auch auf der Straße mit anderen. Zuhause gab es Lego, Plastikant und Ministeck, ein Puppenhaus und etliche Gesellschaftsspiele. Ich habe eine Schwester und natürlich waren sie und ich technikbesessen: mit 16 Jahren kaufte ich von meinem ersten selbstverdienten Geld einen Mastermind-Computer, ich hatte auch früh einen PC, 1989 den ersten Gameboy und verdiene den Mohn auf meinen Brötchen heute mit EDV-Seminaren. Ich sitze also mehr als zehn Stunden täglich am PC.
Jetzt fällt es mir unendlich schwer, meinem Kind die Medien zu verbieten.
Heute Morgen hatte er Besuch von einem Kind, das überhaupt weder Computer noch Wii kennt, das Kind kam um zehn und ging um 14 Uhr und sie haben die ganze Zeit nur vor der Wii gesessen. Man kann sich ausmalen, wie das gewesen ist, aber es entspricht nicht ganz dem Klischee, denn mein Sohn hat dem anderen Kind in liebevoller und fürsorglicher Kleinarbeit erklärt, wie man wo drücken muss und geballert wurde überhaupt nicht.
Direkt darauf kam ein anderes Kind, das vor vier Tagen zum Geburtstag eine Wii geschenkt bekommen habt, sie haben bis 15 Uhr an der Konsole meines Sohnes gesessen, danach habe ich sie entfernt und zu einem Abenteuerspielplatz gebracht, wo sie ihre Zeit murrend abgesessen haben und zum Teil wie vorpubertäre Jugendliche auf der Kinderschaukel gewippt und den Handy-Klingeltönen gelauscht haben.
Ich habe versucht, dies mit ihnen zu besprechen und ihnen meinen Eindruck mitgeteilt, dass ich glaube, sie wären ein bisschen vorfrüh und abgenervt von allem, was mit Kindsein zu tun hat. Das haben sie bestätigt und wir konnten das recht gut diskutieren. Danach haben sie auch ein bisschen noch im Wald Stöcke gefunden und miteinander mit Stöcken gekämpft. Das habe ich früher gehasst, aber nun kommt es mir wie das kleinere Übel vor.
Zuhause ist mir der Geduldsfaden gerissen, sie sagten allen Ernstes: jetzt waren wir so lange im Freien, da haben wir uns endlich Zeit zum Daddeln verdient. Darauf habe ich ein hausweites Daddelverbot verhängt, das gleichzeitig die Wii, den DS und auch den Fernseher betrifft.
Nun hängt der Haussegen schief. Traditionell lese ich meinem Sohn abends vor dem Schlafengehen eine Stunde vor, das hat er heute verweigert. O-Ton: "Du hast mir den ganzen Abend versaut, ich habe seit dem Spielplatz nur auf der Couch gesessen und mich zu Tode gelangweilt."
"Warum?", habe ich gefragt, und die Antwort war: "Weil ich nicht an die Medien durfte."
Erst schrillten bei mir die Alarmglocken, -- von wegen, er kann sich schon gar nicht mehr anders beschäftigen, im nächsten Moment dachte ich aber, wieso bin ich so ein Esel, dass ich seine Kindheit immer wieder mit wunderschönen Freizeitaktivitäten ausschmücke, wenn er doch lieber nur dasitzt und daddelt bis zum Stillstand der Augen.
Ich erinnere mich, früher habe ich ihm Süßigkeiten reglementiert, da hat er den ganzen Tag an nichts anderes gedacht und alles Süße in sich hinein gestopft, auch heimlich. Jetzt mache ich das nicht mehr und er kann sich selbst auch besser kontrollieren.
Eine Freundin von mir -- sie ist Hinduistin und glaubt, dass Eltern ohnehin nicht viel Einfluss auf das "Karma" des Kindes haben, lässt ihren Sohn so viel daddeln wie er will und wenn er den Wunsch nach einem neuen Spiel äußert, bekommt er es prompt. Das war vor drei Jahren so, er ist jetzt elf und die Wii langweilt ihn schon lange. Wahrscheinlich deswegen -- meine Theorie -- weil es ihm nie verboten wurde. Sein Steckenpferd sind jetzt Bildmontagen mit Photoshop und das Webseiten-Erstellen. Das wird allerorts für gut befunden.
In meinem Umfeld sind sehr viele pädagogische Eltern, fast nur Akademiker, die durch die Bank negativ zu Konsolen und Gedaddel stehen und mehr oder weniger die Daumenschrauben anlegen. Manchmal kommt es mir vor, als gönnten sie ihren Kindern dieses Vergnügen nicht und würden sich gegenseitig ständig bestätigen (ich sehe Parallelen zu meiner Erziehung: "Fernsehen macht blöd"). Sie sehen es nicht gerne, dass bei uns so viel Zeit an den Medien verbracht wird, da ich mich schwer tue, den Spaßhahn immer wieder zuzudrehen. Ausnahme ist eine sehr junge Mutter, die selbst begeistert an der Wii mitmacht. Die Kinder im Umfeld meines Sohnes wirken jedoch alle gleich ausgeglichen. Oder unausgeglichen, je nach Tagesform, aber auf keinen Fall auffällig. Man kann jetzt sagen, das liegt daran, dass sie nicht den ganzen Tag verdaddeln.
Oder?
Als Elter fühle ich mich in die Enge getrieben. Ständig gibt es Krach und Streit, wenn ich das Daddeln verbiete. Aber wenn ich es nicht tue, sagt mir ein Über-Ich, dass ich als Mutter unverantwortlich handele. Ich versuche auch, gute Vorschläge anzubringen: Schwimmen gehen, in die Stadt zum Eisessen fahren, in den Zoo gehen, oh ja, ich denke mir allerhand aus, aber zunehmend kommt diese "Nö, keine Lust." Ich kann dann schlecht auseinander halten, ob das einem Medien-Phlegma entspringt oder ob ein Kind mit 10 langsam andere Interessen entfaltet, als mit Muttern was zu unternehmen.
Das alles zerrt arg an meinen Nerven.
Was denkt ihr, kennt ihr dieses Problem und wie handhabt ihr so eine Situation?
Ich danke euch für eure Anregungen und Ideen
LG, wallenstein