Die Geschichte des Saxophonbaus in den USA 1888 bis heute
Auch wenn man es heute kaum glauben mag, Amerika ist der eigentliche Durchbruch des Saxophones zu verdanken. Neueinsteiger wissen dies meist nicht. Alte Hasen, die sich nach den Anfängen des Spielenlernens endlich auf andere Dinge konzentrieren können, werden es wissen. Auch kommt immer wieder die Frage nach den Vintagesaxophonen und ob diese sich als Einsteigerinstrument eignen. Früher oder später werden sich also die meisten Saxophonisten und Saxophonistinnen mit der Geschichte des Saxophons in Amerika beschäftigen.
Übrigens ist Vintage nicht ein Begriff für ausschließlich alte amerikanische Saxophone, sondern für alle Saxophone die ein bestimmtes Alter erreicht haben. Ich würde das bis in die 50er max. Anfang 60er Jahre legen. Dabei heißt Vintage nicht alt, sondern eher erlesen oder besonders wertvoll. Es hat sich aber eingebürgert für alle alten Saxophone den Begriff Vintage zu verwenden. Das ist meiner Meinung nach aber falsch. Aber darum soll es hier nicht gehen, das kann vielleicht an andere Stelle diskutiert werden, wenn Bedarf danach besteht. Hier soll es um die Geschichte des Saxophons in Amerika gehen.
1888 - 1920
Im Jahre 1888 baute die Firma Conn das erste amerikanische Saxophon in Serie. In Deutschland hatte man noch keinerlei Ambitionen, sich an den Saxophonbau zu machen. Dies sollte erst im Jahre 1901 durch die Firma Oscar Adler geschehen. Das Saxophon war ein weiteres Blasinstrument, das Conn neben dem Fagott und anderen fertigte. Es war nichts anderes als eine Produkterweiterung und wurde Anfang 1920 ca. 100 mal pro Monat gebaut.
Ein Mitarbeiter Conns war Ferdinand August (Gus) Buescher, der von 1875 bis zur Gründung seiner eignen Firma 1895 in Elkhart bei Conn tätig war.
Bereits 1893 trat H. N. White King auf den Plan. King jedoch verfolgte ein komplett anderes Ziel. Sie importierten Saxophone aus Frankreich von Evette & Schaeffer und versahen diese mit ihrer eigenen Gravur. Sie vertrieben also die vermutlich ersten Stencils. 1909 löste die deutsche Firma Kohlert & Söhne Evette & Schaeffer als Lieferant für King ab. 1916 jedoch ging auch King dazu über, Saxophone selber zu bauen. Der Erfolg gab ihnen Recht. King sollte sich in Zukunft zu einer festen Größe entwickeln und selber Stencils liefern.
Ein weiterer Produzent von Saxophonen war Lyon&Healy. Lyon&Healy ist heute meist ausschließlich als Firma bekannt, die Stencils von Conn, King, Buescher und Martin vertrieb. Sie stellten jedoch bis zum Anfang der 20er Jahre tatsächlich selber Saxophone her. Dies beschränkte sich jedoch zum größten Teil darauf, sämtliche Teile bei den eben genannten vier Herstellern zu ordern und daraus z.B. das Modell Conturier (auf Saxwelt zu finden) zu fertigen. Hieraus entstanden dann die sog. Hybridsaxophone. Sie hatten z.B. Martin Tonlochkamine, den Buescher Knieschutz, den Mercedesstern von Conn und den Klappenschutz von King über dem Daumenhalter. Der Erfolg dieser Saxophone ließ Lyon&Healy aber schnell dazu übergehen, dies nachzulassen, und man begann Anfang der 20er Jahre nur noch Stencils zu vertreiben.
1901, also mit dem Beginn des Saxophonbaus in Deutschland, begann ein weiterer Hersteller namens Holton Saxophone herzustellen. Holton war schnell bekannt für seine Innovationen. Dies artete geradezu aus und Holton war schnell als innovationswütig bekannt. Man versuchte teilweise gleich mehrere Neuheiten an den neuen Modellen anzubringen, was der Beliebtheit der Saxophone jedoch nicht immer zuträglich war. 1915 trat Colonel Charles Gerad Conn in den Ruhestand und verkaufte die Firma Conn an Carl Greenleaf. Dieser benannte Conn lediglich in Conn Ltd. um. Conn existierte also weiter. 1919 trat einer der berühmtesten Hersteller auf den Markt. Mit dem nahenden Boom trat Martin auf den Plan. Martin, Conn, Buescher und King bildeten die Big 4 des alten Amerikas.
1920 - 1929
Anfang der 20er Jahre begann sich das Saxophon durchzusetzen. Buescher verkaufte mehr und mehr Saxophone. Wurlitzer kaufte bei Conn, Buescher und Martin Saxophone und vertrieb diese im großen Stil. Martin begann zu expandieren und King feierte erste Erfolge mit ihren Modellen. Carl Greenleaf schaute auf die Produktionszahlen und stellte fest, das ca. 100 Stück pro Monat das Werk verließen. Daraufhin ordnete er die Produktionssteigerung an.
In nur zwei Jahren wurde der Ausstoß bei Conn auf ca. 4500 Stück pro Monat erhöht. Das Saxophon war nicht nur bei Conn der gewinnbringendste Zweig der Produktion. Der Saxophonbau befand sich in einem nie gesehenem Boom. Sämtliche Hersteller expandierten explosionsartig. Nebenbei fanden sich mehr und mehr Firmen, die selber keine Saxophone produzierten, sondern von den mittlerweile für dessen Qualität bekannte Hersteller, Conn, Buescher, Martin und King die Saxophone bauen ließen und mit ihrer Gravur versahen. Hier gibt es eine unüberschaubare Anzahl an Firmen.
Eine unvollständige Liste ist hier auf Saxwelt unter Stencil/Second Line zu finden. Conn war zu dieser Zeit die größte Firma dieser Art weltweit. Jeder wollte Saxophon spielen und ein solches Instrument sein eigen nennen. Die Produktion von Saxophonen lief bei allen auf Hochtouren. Gus Buescher vertrat die Meinung, dass alle Hersteller Amerikas den Bedarf an Saxophonen niemals werden decken können. Conn wollte dies widerlegen und expandierte was das Zeug hielt. Es wurden Firmen übernommen, um dort Saxophone zu fertigen, die Produktion wurde weiter und weiter erhöht und doch sollte Gus Buescher Recht behalten. Zumindest bis 1929.
1929 - 1942
Am 29. Oktober 1929 geschah das unfassbare. Die Börse brach zusammen. Dieser, als schwarzer Freitag bezeichnete Tag, warf die gesamte Wirtschaft in Amerika über den Haufen. Zuvor in Massen vorhandene Gelder waren einfach weg. Die Wirtschaft brach komplett zusammen, niemand hatte mehr Geld und keiner konnte sich mehr Saxophone leisten. Die damals unvorstellbare Summe von 10 Milliarden US Doller wurde an nur einem Tag vernichtet. Man musste nun andere Wege suchen, die Saxophone unter die Leute zu bringen.
Im Allgemeinen fehlte es an Geld, um die teuren Instrumente zu bezahlen. Auf der einen Seite entwickelte man Sondermodelle, wie z.B. das Conn-O-Sax (eine Abbildung ist in der Firmengeschichte Conns hier auf Saxwelt.de zu sehen), auf der anderen Seite verlegte man einen Teil der Produktion, in dem weitere Firmen gekauft wurden, um dort Instrumente für den Einsteigerbereich und damit günstigere Instrumente zu produzieren. Diese sog. Second Line Instrumente basierten oftmals auf Profimodellen, verzichteten aber auf z.B gebördelte Tonlöcher. Ausstattung und Material waren nicht allererste Wahl und somit preisgünstiger.
Conn fertigte die Pan America Modelle, Buescher die Buescher Elkhart Modelle, Martin das The Martin Indiana, und King das King Cleveland. So überstanden zumindest die großen 4 nahezu unbeschädigt diese schwere Wirtschaftskrise. Viele kleine Firmen mussten schließen oder wurden von einer der Großen geschluckt.
Sämtliche Sondermodelle, sowie auch das C-Melody, wurden aber nicht lange produziert, da sich die Gewinnspanne, wenn überhaupt, nur sehr minimal zeigte. Dies lief im Grunde bis Mitte der 50er, Anfang der 60 Jahre für alle recht gut. Allerdings war da noch die Kleinigkeit, die sich zweiter Weltkrieg nannte und auf den sich Amerika 1942 begann vorzubereiten.
1942 - Heute
Während des Krieges konnten alle Hersteller weiterproduzieren, mussten aber Teile der Produktion auf Kriegsgerät umstellen, dies war in Deutschland nicht anders. Nur die Firma Conn wurde nahezu in vollem Umfang dazu verpflichtet, keine Saxophone mehr für den zivilen Bedarf zu fertigen. Die Produktion wurde nahezu gestoppt und komplett auf Kompasse und andere für den Krieg benötigten Instrumente umgestellt.
Conns Produktion wurde auf nahezu Null zurückgeschraubt. Die anderen Produzenten profitierten davon. Conn war der größte Produzent von Saxophonen weltweit. Dieser Kuchen musste nun zwangsweise neu verteilt werden.
Martin, Buescher, King und andere profitierten davon und übernahmen diese Aufgabe nur zu gern. Während das Ende des zweiten Weltkrieges für die deutsche Saxophonproduktion eine Katastrophe war, sie wurde aufgrund der Teilung Deutschlands und des Verlustes von Grenzgebieten nahezu komplett gestoppt, ging es mit kurzer Verzögerung 1946 für Conn weiter. Conn konnte die vor dem Krieg behauptete Marktmacht jedoch nie wieder zurückgewinnen. Mitte der 50er, Anfang der 60er jedoch gingen nach und nach die Absatzzahlen zurück, sei es, weil der Markt gesättigt war oder einfach kein Geld mehr für dieses Luxusgut übrig war. Außerdem hatte sich ein weiterer Hersteller mittlerweile mehr als etabliert.
Selmer USA konnte Saxophone günstiger fertigen und eroberte sich so wichtige Marktanteile. Um dem gerecht zu werden, begann man allerorts, die Produktionskosten zu senken. Die Qualität der Instrumente begann zu leiden und die Spirale begann sich allerorts zu drehen. Einsparungen gingen auf die Qualität, dies ließ die Nachfrage an amerikanischen Saxophonen sinken. Zudem drängten nun auch noch aus dem asiatischem Raum Saxophone zu günstigen Preisen auf den Weltmarkt, Selmer aus Frankreich stellte eine Alternative für Profisaxe dar und die amerikanischen Saxophone waren Anfang der 60 Jahre bis auf wenige Ausnahmen zu Schülerinstrumenten geworden.
1961 wurde Martin von Paul Richards übernommen. Dieser stellte zunächst noch erfolgreich die Martin RMC Reihe her. Buescher wurde 1963 von der Selmer USA übernommen und 1964 übernahm Wurlitzer dann die Martin RMC. Conn stellte weiterhin Saxophone her, verlegte aber die Produktion nach Mexiko. Von nun an galten Conn Saxophone nur noch als mittelmäßige Schülerinstrumente. Bundy (Selmer USA) hatte noch einen besseren Ruf als Conn oder King Instrumente. 1977 schloss Holton dann seine Pforten und 1981 übernahm Conn zunächst Amstrong und 1985 dann King bzw. das, was davon übrig war. Der amerikanische Saxophonmarkt war endgültig am Ende.
Die letzen Bemühungen Conn zu retten, schlugen fehl und Conn wurde an das schwedische Konglomerat Skäne Gripen verkauft.
Es folgte die Gründung der UMI, die den gesamten Instrumentenmarkt der USA reorganisierte und die Produktionsstätten nach Instrumentgruppen aufteilte. Sie straffte die Organisation und versucht seitdem u.a. den amerikanischen Saxophonbau wiederzubeleben. Die Qualität stieg wieder an und die Instrumente verkauften sich wieder. Unter dem Dach der UMI werden Saxophone unter dem Labels Conn, King und Amstrong hergestellt. Neben Selmer USA gibt es ansonsten keine weiteren größeren Saxophonhersteller. Saxophone aus den USA sind völlig ohne Bedeutung!
Was aber ist übrig geblieben?
Firmen aus der Boomzeit der Saxophone gibt es nicht mehr. Die heutigen Saxophone sind belanglos. Einzig übrig geblieben sind die Saxophone aus der Zeit von 1920 - ca. Mitte der 50er Jahre. Sie sind heute gefragte Instrumente, die teilweise unglaubliche Preise erzielen.
Die Hersteller heute versuchen den Klang dieser Instrumente in ihren modernen Saxophonen wiederzubeleben. Es wird hier in alle Richtungen geforscht. Materialien werden erprobt, neue Polster werden entworfen, an Mechaniken wird gefeilt und mit Mundstücken wird experimentiert. Es ist jedoch keinem Hersteller gelungen, auch nur annähernd einen derartigen Klang zu erzeugen, den die amerikanischen Saxophone hatten.
Deswegen wird es immer Spieler geben, die ein gutes altes Vintage ihr Eigen nennen. Denn der Klang dieser Saxophone ist einmalig und ist nur und ausschließlich bei Saxophonen aus Amerika zu finden. Daher steigen die Preise für Vintages aus Amerika immer weiter.
Zuletzt aktualisiert am Samstag, 27. Februar 2016 16:43