Deutschland

Die Geschichte des Saxophonbaus in Deutschland und Tschechien 1901 bis 2004

 

Folgenden Informationen habe ich nach meine Recherchen im Internet und Befragungen der heute noch existierenden Firmen bzw. deren Nachfolger verfasst. Dabei sind neue Fragen aufgetreten und es gibt immer noch Lücken und Ungereimtheiten, die ich versuchen werde nach und nach aufzuklären, sei es durch Informationen, die ich von Euch erhalte oder durch Antworten, die ich von den Firmen erhalte. Ich hoffe nur, dass Letztere nicht irgendwann so genervt von meinen Fragen sein werden, dass sie dann nicht mehr antworten.

 
Ich halte es für wichtig, gerade die deutsche Geschichte des Saxophonbaus zu rekonstruieren. Vieles ist verloren gegangen, was wir heute noch gemeinsam wieder herstellen können. Dabei könnt ihr helfen, die ihr Saxophone euer Eigen nennt, die von einem deutschen Hersteller gebaut wurden und die Firmen bzw. deren Nachfolger, die mir hoffentlich Infos zur Firmengeschichte zur Verfügung stellen.
 

1900 - 1938

 

Während in Frankreich bereits seit 60 Jahren Saxophone gebaut wurden und dies nicht nur in Einzelstücken, sondern durch Buffet und Selmer bereits in einem verhältnismäßig großen Umfang, begann der Bau von Saxophonen in Deutschland gerade erst.

 

Markneukirchen liegt im Vogtland und grenzt direkt an das heutige Tschechien an. Markneukirchen, Klingenthal und das damalige Graslitz, der sog. Musikwinkel, sind der Geburtsort der Saxophone in Deutschland. Sie bilden auch heute noch das Zentrum des deutschen Musikinstrumentenbaus. Graslitz gehörte zum österreichisch / ungarischen Teil Böhmens, der zum größten Teil deutschsprachige Einwohner zählte. Bereits 1900 begann dort die Firma Kohlert und Söhne mit dem Bau von Saxophonen.

 

Eine heute für den Saxophonbau völlig unbedeutende Firma stellte 1901 in Markneukirchen das erste Saxophon auf deutschem Boden her. Die Firma Oscar Adler war es, die als erstes ein solches Saxophon herstellte. Für Oscar Adler waren unter anderem auch Julius und Max Keilwerth tätig. Beide stellten für Adler Saxophone in Heimarbeit her. Der eine dieser beiden Brüder sollte später einmal die größte deutsche Firma leiten, die in Deutschland jemals Saxophone baute.

 

Doch bevor es soweit war, ging noch Einiges an Zeit ins Land. Während Oscar Adler Saxophone baute, wurden die politischen Unruhen in Böhmen immer größer. Der tschechischsprachige Teil der Bevölkerung erhöhte mehr und mehr den Druck auf Österreich und Ungarn, bis diese 1918, mehr oder weniger freiwillig, in die Gründung der Tschechoslowakei einwilligten. So wurde Graslitz 1918 zu Kraslice und damit tschechisch.

 

Oscar Adler konnte seine Mitarbeiterzahl währenddessen langsam aber stetig vergrößern. Zu diesen Mitarbeitern gehörten seit 1920 auch Julius und Max Keilwerth, die zuvor Instrumente für die Firma Kohlert fertigten, die nun ja nicht mehr zu Österreich gehörte.

 

Nach nur 5 Jahren der Mitarbeit für Oscar Adler verließ Julius Keilwerth die Firma und gründete 1925 die Instrumentenbaufirma Julius Keilwerth in Kraslice. Die Spuren seines Bruders verlieren sich hier ebenso, wie der weitere Werdegang der Firma Oscar Adler noch im Dunklen liegt und auf Aufklärung wartet. Ich hoffe, dies hier aber bald nachreichen zu können.


Die Gründung Julius Keilwerth

 

Mit der Gründung der Firma Julius Keilwerth war der Grundstein für eines der größten deutschen Unternehmen gelegt. Julius Keilwerth Saxophone waren gefragte Instrumente und die Nachfrage stieg immer stärker an. Bereits 1930 errichtete Julius Keilwerth neue Firmengebäude, die der Nachfrage gerecht werden konnten. So gab es um 1920 bereits drei Hersteller, die die Geschichte des deutschen Saxophons in erheblichen Maße mitbestimmten. Doch nur einer davon war auch in Deutschland ansässig. Auch Kohlert Saxophone waren von sehr guter Qualität und wurden rege nachgefragt. Neben Keilwerth und Kohlert hat es natürlich auch weitere Firmen gegeben, die sich mit der Herstellung von u.a. Saxophonen beschäftigten. Bereits 1921 begann G. Hüller mit der Produktion von Saxophonen, Gebrüder Mönnig 1928, F. Köhler startete 1931, E. Hess 1936 und E. Schuster 1937. Außer Kohlert und Keilwerth jedoch, hatte keine dieser Firmen großen Einfluss auf die Entwicklung des Saxophonbaus genommen.

 

1935, also nur 10 Jahre nach Gründung der Julius Keilwerth in Kraslice, war die Firma Julius Keilwerth die größte Firma im Saxophonbau in Europa. Im deutschen Reich begann es zu rumoren. Hitler nahm die Verstöße gegenüber der deutschsprachigen Bevölkerung zum Anlass, die "Rückgabe" Sudetendeutschlands zu fordern. 1938 gab die internationale Staatsgemeinschaft nach und zwang die Tschechoslowakei mit dem Münchener Abkommen, die deutschbesiedelten Gebiete abzutreten, um einen Krieg zu verhindern. Kraslice war wieder deutsch und hieß wieder Graslitz. Keilwerth avancierte kurz danach mit 150 Mitarbeitern zum größten deutschen Hersteller von Saxophonen.

 

1938 - 1945

 

Die Geschichte des deutschen und tschechischen Saxophonbaus ist so eng verknüpft, dass es kaum möglich ist, dies zu trennen. Streng betrachtet ist Keilwerth eine tschechische Firma gewesen und Kohlert eine österreichische. Die Gründer jedoch waren gebürtige Deutsche. Während Kohlert die Firma im damaligen Österreich, in Graslitz, gründete, gründete Keilwerth sie in der Tschechoslowakei in Kraslice. Erstmalig 1938 wurde Kraslice/Graslitz deutsch. Und doch waren beide Firmen neben Oscar Adler maßgeblich verantwortlich für den deutschen Saxophonbau. Wie also kommt das?

 

Es sollte nicht die letzte Namensänderung von Graslitz sein. Mit dem verlorenen 2. Weltkrieg ging Graslitz 1945 zurück an die Tschechoslowakei und hieß von nun an, wie soll es auch anders sein, wieder Kraslice. Das ist auch bis heute so geblieben. Trotzdem ist die Geschichte des tschechischen und deutschen Saxophonbaus weiterhin eng miteinander verknüpft.

Wann war Graslitz Kraslice und wann Kraslice Graslitz?

  • Bis 1918 gehörte Kraslice zum ungarischen und österreichischen Teil Böhmens und hieß Graslitz
  • 1918 wurde die Tschechoslowakei gegründet und Graslitz wurde erstmalig zu Kraslice
  • 1938 wurde Kraslice auf Drängen Hitlers in das deutsche Reich integriert und wurde wieder zu Graslitz
  • 1945, nach dem verlorenen Krieg, ging Graslitz wieder an die Tschechoslowakei und hieß von nun an wieder Kraslice

Der verlorene Krieg war aus der Sicht der Saxophonfirmen mehr als eine Katastrophe. Nun wieder in der Tschechoslowakei ansässigen Firmen wie Kohlert und Keilwerth wurden enteignet. Sie gingen allesamt über in das Firmenkombinat Amati. Die Deutschen wurden aus den Gebieten vertrieben. Die tschechischsprachigen Mitarbeiter von Keilwerth und Kohlert waren nun für Amati tätig. Kohlert-Saxophone wurden von Amati nicht weitergebaut, Keilwerth-Saxophone wurden dagegen 1:1 übernommen. Selbst die Keilwerth-Gravuren und Namen der Modelle wurden bis ca. 1955 weiterverwendet.

 

1945 - 1970

 

Julius Keilwerth und ein Teil der Mitarbeiter ließen sich in Nauheim nieder und begannen dort wieder mit einer Reparaturwerkstatt für Blasinstrumente ganz von vorn. Kohlert trieb es mit einem Teil seiner Mitarbeiter nach Winnenden, wo der Saxophonbau als Kohlert & Co wieder aufgenommen wurde. Die Produktion lief wieder an und 1949 begann auch Keilwerth wieder mit der Produktion von Saxophonen. Zur gleichen Zeit wurde die DDR gegründet. Die dort verfolgten politischen Ziele ließen keine oder kaum eigenständige Firmen zu. Die im ehemaligen deutschen Musikwinkel ansässigen Unternehmen gehörten nun zur DDR. Sie stellten nach und nach, teilweise zwangsweise, ihre Tätigkeiten ein bzw. wurden in die VEB Blas- und Signalinstrumente "integriert". 1948 gesellte sich zu den beiden deutschen Firmen Kohlert und Keilwerth noch Hohner (Leiter der Saxophonabteilung bei Hohner: Max Keilwerth, der Bruder von Julius) hinzu, die aber für den weiteren Verlauf der deutschen Saxophongeschichte nahezu ohne Bedeutung blieb. Hohner wurde mit anderen Instrumenten deutlich erfolgreicher und stellte die Produktion bereits 1967 wieder ein.

 

Während Keilwerth wieder wuchs, wuchs auch dessen Selbstbewusstsein und man versuchte sich mit Amati über die Verwendung der Modellnamen und der Markenzeichen zu einigen. Beide Unternehmen, Amati und Keilwerth, produzierten nun Instrumente mit dem Namen Toneking und der Gravur JKG (Julius Keilwerth Graslitz). Eine Einigung war nicht möglich. So strengte Keilwerth eine Klage vor dem europäischen Gerichtshof an, der 1955 sämtliche Rechte an Namen und Markenzeichen Keilwerth zusprach. Während dies einen weiteren Aufschwung für Keilwerth brachte, hatte Kohlert Schwierigkeiten, an die alten Erfolge anzuknüpfen. 1954 begann die Firma K. Hammerschmidt mit der Produktion der Modellreihe Klingsor, die heute auch noch hin und wieder mal auftaucht.

 

Die einzig wirklich expandierenden Firmen waren Keilwerth und die VEB Blas- und Signalinstrumente in der ehemaligen DDR. Die B&S vertrieb Oscar Adler Saxophone unter dem Namen Sonora, sowie weitere Modelle unter heute nicht unbekannten Firmennamen wie B&S und Weltklang, aber auch unbekanntere Namen wie Buddy Handerson und Bandmaster. Sie alle jedoch reichten qualitativ nicht an das ran, was die Firmen vor der Integration in die VEB an Qualität ablieferten. Die Umsatzsteigerung basierte lediglich auf einer Preispolitik, die letztendlich nur dazu führte, dass diese Instrumente zu Recht als Billiginstrumente bezeichnet wurden.

Zuletzt aktualisiert am Mittwoch, 31. August 2016 18:49

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