Das Saxophon
Was ist eigentlich ein Saxophon? Na, das weiß doch jedes Kind, werdet Ihr sagen, so ein Ding mit einer typisch hakenförmigen Krümmung, einem Trichter vorne dran und ganz vielen Klappen, mehr als doppelt so viele, wie wir Finger haben, so dass es schleierhaft ist, wie wir sie mit unseren Fingern überhaupt alle bedienen können. Oben ist so ein komisches Mundstück dran, ganz anders als bei Flöte, Oboe oder Trompete, und wenn man da reinbläst, kommen vielleicht Töne raus, und dann kitzelt es so komisch an der Unterlippe.
Halt Stopp: Dieses Mundstück gibt es auch bei einem anderen Instrument: der Klarinette. Nun ja, jedes Kind weiß auch, eine Klarinette ist aus Holz und gerade, daher kann man Saxophon und Klarinette leicht unterscheiden. Aber ist das wirklich der entscheidende Unterschied zwischen Klarinette und Saxophon? Klarinette: gerade und aus Holz, Saxophon gebogen und aus Metall? Wenn ich die Frage schon so stelle, wird man schnell vermuten: Das ist wohl ein bisschen zu einfach gedacht. Dann wäre Sax' Erfindung ja nur ein neues Design für ein altes Instrument.
In der Tat gibt es auch Metallklarinetten, die echte Klarinetten sind und sehr klarinettig klingen, und es gibt Klarinetten mit S-Bogen und metallenem gebogenem Schallbecher, genau wie beim Saxophon, nämlich die Bassklarinetten. Diese Gemeinsamkeiten sind kein Zufall, denn Adolphe Sax hat, bevor er das Saxophon erfand, die Bassklarinette entscheidend verbessert. Die heutige Form stammt praktisch von ihm. Und von dieser Form hat er sich für sein Saxophon inspirieren lassen. Eine gerade Form (wie sie natürlich möglich ist, das sehen wir beim Sopransaxophon und beim Sopranino) bot sich nicht an, denn sein allererstes Saxophon sollte ein Baßsaxophon werden. Eine gerade Form hätte dann ausgesehen wie ein Alphorn mit Klappen und wäre sehr unhandlich und schlecht transportabel gewesen. Von der Funktion her hätte das aber physikalische Vorteile gehabt.
Es heißt ja immer, Not macht erfinderisch, und in der Tat war man damals auf der Suche nach neuen Instrumenten, denn man brauchte für Auftritte im Freien ein neues Bassinstrument. Streichinstrumente sind für das Musizieren im Freien nicht so geeignet. Ein Fagott kann zwar tiefe Töne produzieren, ist aber nicht lautstark genug. Genau das gleiche Problem hat die Bassklarinette. Es gab damals andere Bassinstrumente, wie das Sarrusophon oder die Ophikleide, die aber nicht befriedigten (vgl. dazu Günter Dullat, Saxophone. Ein Link zu Bildern: siehe unten).
Betrachten wir einmal den Unterschied zwischen Klarinette und Oboe. Er besteht nicht nur aus den unterschiedlichen Mundstücken, Schnabelmundstück mit einfachem Rohrblatt bei der Klarinette und dem fast strohhalmartigen Doppelrohrblatt bei der Oboe (das einen sehr hohen Blasdruck erfordert und deshalb sehr anstrengend zu blasen ist). Betrachtet man das Instrument weiter abwärts, stellt man fest, die Klarinette ist zylindrisch gebohrt, der Durchmesser ist von der Birne (so heißt das hölzerne Verbindungsstück ohne Klappen zwischen Mundstück und Korpus) bis zur Erweiterung im Schalltrichter (der zur besseren Abstrahlung des Schalls an die Luft dient) gleich. Die Oboe sieht innerlich ganz anders aus, obwohl sie sich äußerlich nicht sehr von der Klarinette unterscheidet: Oben direkt hinter dem Mundstück ist die Mensur (was lateinisch eigentlich nur Maß heißt), der Durchmesser der Bohrung, ganz klein, nur ein paar Millimeter groß. Nach unten hin wird die Mensur immer größer. Insgesamt ist die Innenform ein Konus, also kegelförmig. Die Oboe überbläst deshalb in die Oktave, genau wie die Flöte. Bei der Querflöte macht man bekanntlich das Überblasen mit dem Blasdruck, sie hat keine Oktavklappe, bei der Blockflöte übernimmt das ganz wenig geöffnete Daumenloch die Funktion der Oktavklappe.
Bei der Klarinette ist das überraschenderweise ganz anders: Man kann sich noch so anstrengen, mit Ansatz, Blasdruck oder Einbau von Oktavklappen: Wenn sie überbläst, dann in die Duodezime (das ist Oktave plus Quinte). Dann erhält man nicht die doppelte Frequenz, wie bei der Oktave, sondern die dreifache Grundfrequenz. Warum das so ist, werden wir vielleicht später mal in einem Extrakapitel über die die Physik der Klangerzeugung darstellen. Die Tatsache, dass die geradezahligen Oberwellen (Oktave: 2-fache Grundfrequenz, Oktave der Oktave: 4-fache Grundfrequenz, 6-fache Grundfrequenz usw.) im Klarinettenspektrum fehlen, macht übrigens den typischen Klarinettenton aus und damit auch den typischen Unterschied zur Klangfarbe des Saxophons. Dieser Unterschied ist unabhängig vom Material.
So dachte sich Sax, wenn man das einfachere (einfacher aufgebaut, einfacher zu blasen) Mundstück der Klarinette mit dem konischen Korpus der Oboe, aber mit größerer Mensur, dem Mundstück angepasst, kombiniert, dann hat man ein neues Instrument, das so einfach anzublasen ist wie eine Klarinette, das aber so einfach zu spielen ist wie eine Flöte, mit Überblasen in die Oktave: Eben das Saxophon! Mit dem Material, aus dem das Instrument gefertigt ist, und der äußeren Form hat das nichts zu tun!
Halten wir also fest: Ein Saxophon hat ein Mundstück wie eine Klarinette, also einen Schnabel mit einem einfachen Rohrblatt, und einen Korpus mit konischer Bohrung, der dafür sorgt, dass das Saxophon in die Oktave überbläst.
Nun ist aber noch mehr dran an einem Saxophon außer dem Mundstück und dem konischen Rohr. Auffällig sind die vielen Klappen. Wozu dienen die eigentlich?
Die Tonhöhe des Instruments (das ist bei allen Holzblasinstrumenten so) wird durch die Eigenfrequenz (Resonanz) der schwingenden Luftsäule bestimmt, die unmittelbar von ihrer Länge abhängt. Wenn ich also verschiedene Töne spielen will, brauche ich verschieden lange Luftsäulen. In einer Orgel ist das dadurch gelöst, dass jeder Ton seine eigene Pfeife bekommt, aber das geht natürlich für ein Blasinstrument nicht (außer bei der Panflöte). Stattdessen kann man die Tonsäule für den Schall verkürzen, indem man ein Loch in den Korpus macht. Dort wo ein offenes Loch ist, ist dann die schwingende Tonsäule zuende.
Mit einem Loch allein haben wir zwar einen neuen Ton, aber keine Variationsmöglichkeiten. Also muss ich die Löcher, jeder Ton bekommt sein eigenes Tonloch, auch schließen können. Die Tonlöcher einer Blockflöte sind so klein, dass dafür noch die Fingerkuppen reichen. Beim Saxophon müssen sie so groß sein, dass man unbedingt Klappen braucht. Und die müssen gut dichten, sonst spielt das Saxophon nicht ordentlich oder gar nicht. Von online casino der Blockflöte kennt man das. Wenn nur einer der vielen Finger das Tonloch nicht richtig schließt, quietscht es oder es kommt sonst etwas Schräges heraus. Besonders empfindlich sind die mehr oben gelegenen Tonlöcher des Saxophons. Wenn die nicht dichten, neigt das Saxophon zum Überblasen (es spielt dann einfach eine Oktave höher). Da genügt schon ein winzig kleiner Luftspalt, und die tiefen Töne gehen nicht mehr.
Blockflötenspieler wissen auch, dass man für Halbtöne (fis, gis, cis, b, es usw.) Hilfsgriffe braucht, und die Töne klingen dann manchmal gar nicht richtig klar. So hat man bereits zur Mozartzeit (also vor über 200 Jahren) an die Klarinetten zusätzliche Klappen gebaut, um diese Töne richtig gut spielen zu können. Klappen können also durchaus mit Tonlöchern für die Finger kombiniert werden. Z. B. hat die tiefe Es-Klappe beim Saxophon überhaupt keine Verbindung mit irgendeiner anderen Klappe. Sie ist nur für das Es da. Genau so ist es mit dem Seiten-B oder dem Triller-Fis. Solche Klappen könnte man auch an eine Blockflöte bauen. Warum man das nicht tut? Das ist mir auch nicht ganz klar. Die Klarinetten der Mozartzeit hatten jedenfalls neben den Tonlöchern wie bei der Blockflöte fünf Klappen, und so konnte man alle Halbtöne einwandfrei spielen! Das Klappensystem der heutigen Klarinetten wurde erst viel später entwickelt. Und wer war daran beteiligt? Unser lieber Freund Adolphe Sax natürlich, der vor dem Saxophon eine Bassklarinette mit 24 Klappen baute, die für die spätere Zeit richtungweisend wurde. Habe ich schon oben erwähnt, nicht? Ja, alte Leute wiederholen sich manchmal.
Halten wir also fest: Die Tonlöcher sind dazu da, alle Töne (einschließlich der Halbtöne) spielen zu können. Die Klappen sind dazu da, diese Tonlöcher wahlweise zu öffnen oder zu schließen.
Nun will ich auch noch die Frage beantworten, wie man die über zwanzig Klappen mit nur 10 Fingern bedienen kann, oder besser 9 Fingern, der rechte Daumen hat weiter nichts zu tun, als das Saxophon zu halten. Die Klappen für die normale Tonleiter müssen mit den Fingern geschlossen werden, sie stehen im Normalfall offen. Dafür reichen die acht Finger, die Daumen braucht man dafür nicht (außer für das ganz tiefe A beim Baritonsaxophon). An einigen Stellen gehen zum Glück gleich zwei Klappen auf einmal zu, so dass man mit acht Fingern schon mal zwölf Tonlöcher schließen kann, wenn man das ganz tiefe B spielt, so dass alle Klappen geschlossen sind. Und das Geheimnis der übrigen Klappen? Sie sind im Normalfall geschlossen. Um die braucht man sich wirklich nur dann zu kümmern, wenn der betreffende Ton gebraucht wird!
Und der linke Daumen? Ja, der bedient die Oktavklappen. Es gibt zwei Oktavklappen, aber nur einen Bedienhebel für den Daumen. Sie werden aber nicht beide gleichzeitig geöffnet, sondern es gibt da eine sinnreiche Mechanik, die dafür sorgt, dass bei den tiefen Tönen automatisch die untere Oktavklappe geöffnet ist, und bei den oberen ab a die obere. Die ersten Saxophone von Sax hatten noch zwei Oktavklappen mit zwei Daumenhebeln, heute muss sich der Spieler um die Umschaltung zum Glück keine Gedanken mehr machen. Es ist ganz interessant, wie die Oktavmechanik funktioniert. Studiert sie mal im Ruhe! Vor allem: Sie funktioniert bei verschiedenen Fabrikaten manchmal ganz verschieden!
Die Oktavklappen haben einen riesigen Vorteil: Mit nur einem Daumendruck erweitern sie den Tonumfang gleich um eine ganze weitere Oktave! Man kann also mit den acht Fingern und dem linken Daumen zwei volle Oktaven spielen.
Nun hört es noch nicht auf, denn nach oben geht es noch weiter: Mit zusätzlichen Klappen, die im Normalfall geschlossen sind, kann man noch höhere Töne spielen, vom hohen d bis zum hohen f, bei modernen Instrumenten bis zum hohen fis.
Es ist sogar möglich, noch höhere Töne zu spielen, aber wie das geht wird an anderer Stelle erklärt.
Zuletzt aktualisiert am Montag, 23. November 2015 19:18