Hi,
also das Gefühl des Alleinsein habe ich - wenn dann als schmerzlich süß - nicht bedrückend empfunden. Sicher auch eine Frage der Frequenz. Während meiner 15 Jahre als ausschlielich Musiker waren es im Jahr manchmal um die 180 Jobs und die meisten davon solche, wo ich solistisch tun konnte, was ich wollte.
Applaus ist schön, sicher. Aber das war kein echter Gradmesser, dazu ist das Publikum in verschiedenen Locations viel zu unterschiedlich. Das, was in einem Club in Stuttgart als "die Leute toben" bezeichnet wird, war im Domicil in München tote Hose. Man lernt, das zu relativieren.
Was die Rezensionen angeht: Ich stand auch (später) auf der anderen Seite als Feuilletonist. Die allermeisten, die darüber schreiben haben keinen Dunst, was sie da hören. Für gewöhnlich sind sie dankbar, wenn man als Musiker ihnen ein paar Tipps gibt. Und das zu lesen bringt nicht viel. Das war auch so, als ich mich dann später als Komponist verdingt habe.
Tatsache ist: man spielt, weil man liebt, was man tut. Zu einem guten Teil für sich selbst, wie der weinende Ben Webster das verdeutlicht. Niemand sonst kann diese Emotion erleben außer dem Musiker und vielleicht seinen Kollegen. Diese tiefe Befriedigung, wenn man das Instrument zur Hand nimmt und es dann am Körper "einrastet".
Das heißt nicht, dass das Publikum nicht vonnöten wäre. Es IST ein Spiegel und natürlich ist die Situation vor einer Audience eine ganz andere Prüfung als das Spielen im Zimmerchen. Tatsächlich will man gehört werden - nicht notwendigerweise verstanden werden, weil man weiß, dass das Publikum andere Dinge hört als man selbst. Nicht immer sind die Sachen, die man für Besonders erachtet auch die, die am besten ankommen. Und deswegen relativiert man die Reaktion der leute. Das ist ohne Zynismus a la: Was wissen die schon? Denn dann sollte man am besten gar nicht öffentlich spielen. Eher eine gewisse Form der Nachsicht mit den Hörern.
Die Gefühle, die man als Musiker ausdrückt, sind selten so einfach zu benennen wie dies Sprache ermöglichen würde. Es ist immer eine Melange, eine Momentaufnahme. Ja, machmal schreit (spielt) man sich die Seele aus dem Leib auf der Bühne. Und ist dankbar, dass jemand zuhört. Aber verstanden zu werden, muss und darf darf man nicht erwarten.
Was mich geschlaucht hat an der Sache war eher alles andere als die Musik: Der Trouble mit den Hotels (wie kommt man spät Nachts noch rein?, liegen sie am anderen Ende der Stadt? Wie sind die Zimmer etc.) das Problem mit den Garderoben (Größe, direkt an der Bühne), das Problem der Nahrungsaufnahme (vorher will man nicht, hinterher geht nichts mehr), die elenden Fahrzeiten im Bus, die Müdigkeit, weil man immer am Fahren ist und nicht zum Schlafen kommt, weil man eben fahren muss.) Das ist es, was sich langsam häuft.
Es gibt da in einem Film ein bemerkenswertes Zitat. Hinter der Bühne stehen die Künstler, beschweren sich und sind mies drauf, müde, das Geld stimmt nicht und auch sonst läuft alles schief. Da sagt der Impresario: Stell die Idioten auf die Bühne, dann ist Schluss damit"
Das ist die Realität. Auf der Bühne passt alles. Jeneseits der Bühne ist immer Ärger. Auch wenn alles stimmt, Geld, Publikum, Übernachtung, Essen. Auf der Bühne findet Leben statt. Jenseits davon ist nervender Alltag. Das macht es doch schwer.
Man muss nicht trinken oder junken, um diesen Konflikt zu lösen. Man muss es nur irgendwie ertragen. Manchmal schwer - aber oft auch ganz leicht, wenn man sich vergegenwärtigt, welch privilegierte Position man hat.
Einsam war ich nie wirklich in dieser Zeit. Immer waren nach dem Konzert Leute da, Freunde, Fans, Fachleute. Ich empfand diesen Abfall der Spannung, dieses "einsame Wandern durch die Straßen" immer als wohltuend mit höchstens einem Tropfen Trauer auf das ganze Glas.
Ich schlafe erst schlecht, seit ich einen Day-Job habe. Vorher habe ich vielleicht zu wenig geschlafen - aber für gewöhnlich besser.