ja, da fehlt jetzt einfach der facebook-gleiche Button "Gefällt mir" -- thumbs up, wie gesagt -- du bist profiliert und ich muss mir nicht die Finger wund schreiben.
Mein Posting war vor deinem fertig, aber meines steht unter deinem. Daher schließt dein Blau-auf-Weiß an meinen Dialog ganz unten an, aber in Zeiten des Cross-Media und Cultured Mix, wäre es doch gelacht, wenn man nicht auch noch den verdammten Anachronismus zähmen könnte!
Du schreibst:
Das kann ich nicht unterschreiben. Was ist schlimmer, als zu zerbrechen? Das genau ist der (Kino-)Stoff, aus dem die armen Poeten und der kaputte Jazzstar gestrickt werden. Er starb für die Kunst! Sie nahmen ihm alles, nur seinen Ton konnten sie ihm nicht nehmen, was für ein Held.
Ich finde, das genau ist der Stoff aus dem Hollywood-Filme gemacht werden. Da ist auf der einen Seite der Underdog, der sich durchbeißt oder eben der gefeierte Star, der schließlich tief fällt und zugrunde geht. Und die Fans wollen das. Zum einen, weil ihr Verständnis von Moral bestärkt wird, zum anderen, weil sie lernen: aha, die Großen waschen auch nur mit Wasser.
Es gibt viele Künstler, die in Drogen und Missverständnis zugrunde gegangen sind oder zerstört wurden, aber es gibt ebensolche, die unbeschadet ihre Karriere bis ans Ende ihrer Tage durchlebt haben. Nur eben kräht kein Hahn mehr nach ihnen. Kein Hahn kräht nach stromlinienförmigen Biografien. Wenn Pres also "nur" seine Musik gemacht hätte, und wäre er nicht zugrunde gegangen -- welchem Nimbus würde seinem Namen heute noch anhaften?
Oder fragen wir anders: Wenn du als Autor eine Biografie schreiben solltest -- entweder über Lester Young oder über Dizzy Gillespie, welchen der beiden Musiker würdest du wählen?
Ich finde das eher traurig und in der Sache falsch. Nochmal meine Theorie: sie haben ihm seinen Ton entwertet und daran ist er gestorben.
Nein, das glaube ich nicht. Oder er müsste extrem labil und übersensibel gewesen sein. Aber du schreibst im nächsten Satz:
Die These, dass gerade besonders labile Menschen Stars werden, finde ich abenteuerlich und bedient genau das gleiche Klischee des genialen, aber armen Künstlers.
Ich kenne seine Biografie nicht, aber ich fühle das Dilemma: in deinen Augen kann er nicht labil gewesen sein, denn das ist klischeebehaftet. Also haben "sie" ihn kaputt gemacht. Doch wer sind "sie" und wo sitzen "sie"?
Mir wäre lieber, die Genie- und Künstlerpersönlichkeitsdiskussion unabhängig von seinem eigenen Ton zu führen, dann fällt es denjenigen, die einen eigenen Ton zu meinen haben leichter, zuzureden, ohne sich gleich im selben Atemzug mit einem Genie nennen zu müssen.
Warum? ich denke unbedingt, dass ein Künstler/Künstlerin labiler oder sensibler oder feinnerviger sein muss als das Umfeld, dass ihn/sie umgibt. Sonst schafft er/sie nicht mehr als eine Reproduktion oder allenfalls Kunsthandwerk. ich sehe das sowohl in meinen Bemühungen im Schreiben, wie auch im Malen oder Musizieren und zwar nicht nur bei mir, sondern auch bei all den anderen "Kümstler"kolleginnen: in dem Moment, in dem versucht wird, der Stil eines Großen zu kopieren, verliert der Künstler seinen individuellen Ausdruck. Man kann aber auch sagen, dass er diesen freiwillig zurückstellt. Zumindest für eine gewisse Zeit. es geht um Formgebung, um Rhythmus, Intonation, ums Notenlernen und viel auch um graue Theorie. Dann kommt natürlich irgendwann der Moment, in dem ein Schüler ins kalte Wasser springt und sich freipaddeln muss. Nicht alle erreichen diesen Punkt.
Allerdings gibt es nur wenige Genies. In erster Linie deshalb, so denke ich, weil die meisten meinen, dass es vor ihnen und nach ihnen zig andere gegeben hat und geben wird, die "es" besser können und das ist in meinen Augen auch realistisch. (ja ja, tradiert!) Immer wieder werden aus einer geringen Zahl Künstler einer oder zwei herausgefällt, die noch der Spitze die Krone aufsetzen! Ich sage jetzt nicht Genies, aber ich meine Genies, und wenn sie sich im ersten Schritt nicht freigepaddelt hätten -- wer weiß, ob sie jemals gemerkt hätten, dass mehr in ihnen steckt?
Genau in diesem Zustand muss der Künstler sich jetzt befinden (stimmt das?) in dem er fortan unter die Räder der Maschinerie gerät, die du als "sie" bezeichnest. Mein Frage ist, wie bewusst der/die Künstlerin zu diesem Zeitpunkt ist.
Mag sein, dass ein Genie auf Wolke sieben schwebt und gar nicht bemerkt, wie es in die Fänge des Reißwolfs gelangt. Dann kann man aber vermuten, dass die Wolke sieben ihn in gewisser Weise auch schützt und "sie" (auf der Gegenseite) sich an dem Künstler auch arg die Zähne ausbeißen müssen. Dann erscheint der Künstler nicht pünktlich zu einem vereinbarten Termin (oder Auftritt --) und man kann nie voraussagen, wie ein Auftritt mit diesem Künstler sich gestaltet. Ja, was?
Sind wir jetzt an dem Punkt, an dem sein Ton entwertet werden muss und er anfängt, daran zu sterben?
Was passiert im Folgenden? Der Künstler findet sich plötzlich in einem anderen Milieu wieder. An dieser Stelle empfindet er Glück oder Unglück, je nach Veranlagung. immerhin reflektiert er sich als Mensch und auch -- etwa dergestalt: "noch vor einem Jahr habe ich die Hölle durchgemacht, jetzt bin ich einen Schritt weiter." Der Erfolg tut ihm also nicht gut. Ich frage mich, ob er Familie und Freunde hat und welche die Ratschläge sind, die Freunde und Familie ihm auf den Weg geben.
Aus irgendeinem Grund macht der Künstler aber
dennoch weiter und nun endlich muss der Punkt kommen, an dem "sie" ihm seinen eigenen Ton nehmen und er daran stirbt. Kannst du das bitte einmal zeigen? ich meine szenisch zeigen? Ich stelle mir das so vor (in etwa diesem Dialog -- ich bin allerdings nicht in der Musikerszene):
"Okay, alter Freund, du hast jetzt zwei Möglichkeiten: den Gig heute Abend hinlegen und zwar verdammt nochmal nüchtern. Nüchtern, hast du verstanden? Andernfalls ... "
Andernfalls was? Pres schwieg. Does Stimme bereitete ihm Kopfschmerzen. Die Töne schwollen an, machten an den falschen Stellen Pausen und donnerten zum Schluss wie ein Staccato. Was hatte er gesagt? Er hatte von einem Gig gesprochen.
"Herrje Mann, es sind zwei Stunden --" Does Stimme klang versöhnlich.
"Ich habe eine Flasche Gin geleert", gestand Pres und spürte, dass er lallte, das Wort Gin kam nur schwer über die Lippen.
"Pres, ich meine es gut mit dir."
Gut? Was zum Teufel war für so einen gut?
Was passiert weiter? ich würde gerne einmal sehen, wie "sie" ihm im Folgenden den Ton nehmen oder dieses Vorgehen [biografisch] zumindest einmal verstehen.
Danach können wir wieder getrennter Meinungen sein
viele Grüße,
von wallenstein