bluemike schrub:Hi,
Man müsste einem Saxophonanfänger diese Individualität erst mal nehmen. Das tun sie aber nur den großen.
diesen Satz verstehe ich nur mäßig. Wie soll man das tun?
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Es ging mir um Sätze wie: 'wie finde ich meinen eigenen Stil?'. Ich sage, man hat ihn von Anfang an und keiner nimmt ihn weg. Sucht einer nach seinem Stil, dann müsste ihm vorher einer diesen weggenommen haben.
xcielo schrub:Sie haben ihn vielleicht kopiert, es verflacht und kommerzialisiert, und ihn nicht am Gewinn und nicht am Ruhm teilhaben lassen, aber ihm seinen Sound genommen ?
Der Wert eines Dinges hängt mit seiner Seltenheit zusammen. Gibt es viel von einer Sache, so sinkt ihr Wert. Auch das Original leidet unter zahlreichen Kopien. Es mag berühmt werden, nur haben wir Menschen kein Sinnesorgan, dass uns Freude schenkt, wenn wir berühmt sind. Die Anerkennung der ersten Erfolge schenkt einem Selbstvertrauen, ok, aber das hält nun nicht ständig an. Als Star wirst du in der Öffentlichkeit umjubelt, aber auch dafür gibt es keine Sensoren, die das in Glücksendorphine umwandeln kann. Im Gegenteil, der Rummel geht einem bald auf die Nerven. Nur eine Steigerung des Bekanntheitsgrades könnte weitere Befriedigung bringen. Die Berühmtheit stagniert aber all zu schnell, es kommen künstlerische Einbrüche und die Gefahr des tiefen Falls wird immer größer.
Das sind die Gefühle der Ware. Denn der Musiker selbst ist die Ware, von der er nach Feierabend keinen Abstand nehmen kann. Über das arme Tier und die Einsamkeit in fremden Städten nach gelungenen Auftritten habe ich schon mal geschrieben. Die rauschendsten Auftritte hinterlassen nachts die tiefsten Löcher. Man hat sich gut verkauft!
Und man hat nicht eine Arbeitsleistung verkauft, nein, man hat sein Innerstes verkauft, seine Seele.
Ein Liebeslied, in das Ohr der Geliebten gesungen, ist eine Situation, an die du dich das ganze Leben lang erinnern kannst. Das ist einmalig, der Wert des Liedes wird durchs Flüstern noch gesteigert.
Das gleiche Liebeslied, millionenfach vervielfältigt, ein großer Hit, dient Millionen als Vorlage für ihre Gefühle. Das Lied wird zur Schablone, der Sänger verrät seine innersten Gefühle, bekommt sie aber nicht millionenfach zurück, außer bestenfalls in Form von Reichtum. Der macht allerdings selten glücklich.
Mehr noch als der Schauspieler, der ja mittels seiner Technik in verschiedene Rollen schlüpft, die er, sobald er das Theater verlässt, wieder ablegt, verkauft der selbstidentische Musiker nicht eine von ihm hergestellte Ware, sondern sich selbst. Er ist quasi Prostituierter. Und das viel mehr als die Tanzmugger, die das Musizieren eher als Handwerk betreiben. Witzig, das Musiker selbst es oft anders herum sehen, und gerade Tanzmusik machen als Prostitution bezeichnen.
Der bildende Künstler legt sich auch in sein Werk. Aber er schließt sein Werk ab. Es ist irgend wann fertig und in Persona nicht mehr nötig. Er kann sein Bild auch überpinseln, korrigieren oder wegschmeissen. Musiker sind wie keine anderen Künstler ihre eigene Ware.
Der Applaus ist das Brot des Künstlers. Das stimmt insofern, dass wenn er ausbleibt, es einem dreckig geht. Aber selbst der längste Schlussapplaus ist irgend wann zu Ende und wenn man Glück hat, wird man bar bezahlt. Naheliegend, dass man sich schnell die fehlenden Morphine hinzukauft.
Ich finde es zu einfach, zu sagen, die hatten ihr Leben nicht im Griff. Dazu waren es zu viele. Ich schätze, sie konnten ihr Leben gar nicht in den Griff bekommen, zumal das Leben als Rundfunk- oder Plattenstar noch gar keiner vorher kannte. Das Medium war so neu wie heute das Internet und kein Mensch kann sagen, was das mit uns macht. Damals war es ein Hype und dass es dazu noch afroamerikanische Künstler waren, die in diesen Strudel gerieten, dafür gab es überhaupt keine Erfahrungswerte.
Es ist ein Riesenschritt von der akustischen Verbreitung mittels Stimme oder Instrument zur elektronisch verstärkten oder gar mechanischen Vervielfältigung. Die Natur hat der Stimme eine bestimmte Lautstärke gegeben. Wir können diese nun verstärken, sind aber nicht mehr in der Lage, interaktiv zu agieren. Weder sehen wir den Konzertbesucher der hintersten Reihe, noch können wir seine Reaktion einschätzen. Es besteht ein Ungleichgewicht von Sender und Empfänger.
Ohne diese Technik wären all die Musiker nicht so früh gestorben. Heißt nicht, dass ich die Technik ablehne, sondern nur, dass man sich im Klaren darüber sein sollte, was man da tut.
Saxophon spielen ist auch immer ein wenig Sex. Öffentlich immer ein wenig Exibitionismus. Den Spagat, sein Individuum zu verkaufen (vervielfältigen) und es gleichzeitig zu leben, scheint mir fast unmöglich.