pue (ne, puh!), jetzt habe ich heute so wenig Zeit und gerade sind doch schon so viele interessante Dinge angesprochen worden, dass man -- um Konsistenz zu erlangen, mindestens mehrere miteinander verknüpfen sollte. Ob mir dazu die Zeit reicht?
Zuerst zu "der Masse." Außer in physikalischen Gleichungen sehe ich keine Masse. Ich kenne mich als "ich", die Familie, bei Namen, den Freundeskreis, jeden Einzelnen und am Rande eine Menge Bekannte, wie zum Beispiel dich und auch alle anderen hier im Forum. Aber das sind keine Masse. Dagegen würde sich schließlich jeder verwehren. Zu Recht. Da ist also immer ein "Jemand" und die Vorstellung, dass da "Draußen" eine graue Masse grauer Ungestalten herumgeistert hat doch etwas Bedrückendes. Womöglich lauert da noch mehr: ein pöbelnder Mob, den man sich ähnlich randalierenden Betrunkenen nach einem verlorenen Fußballspiel vorzustellen hat, und der nach promillreichem Gelage durch die Straßen weht, die Seitenspiegel der Autos wegtritt oder wehrlose Menschen zusammenschlägt.
Aber dann hat "man" einen erwischt und siehe da, wieder gibt es keine Masse. Jedenfalls nix graues, waberndes. Nichts, das Nivelliert und nichts, das eines Extrems fähig wäre.
Doch ich spüre sehr genau, wenn ich vor einer meiner Klassen stehe, wie sich eine Gruppe zu einem "Etwas" zusammenbraut, wie auf einmal Bindung entsteht, wo vorher nur lose Individuen an den Tischen saßen. Und ich spüre, wie sich meine Stimmung überträgt, fast meine ich zu wissen, ob ich sie (jeden Einzelnen) mit einem besseren Gefühl aus dem "Verbund" herauslasse als sie etwa einzeln eingetreten sind. Also gibt es "etwas", das man in diesem Kontext als "Masse" dingfest machen kann.
Daher zwingt sich die Idee auf, dass es zwar a) keine Masse gibt, aber b) doch, sofern sie jemand organisiert.
Das erste Masse-Organisieren scheint nicht angeboren, vielmehr haben Schulkinder in den ersten Schuljahren keine Tendenz, einem Leithammel zu folgen, sind dann aber nach ein, zwei Jahren in der Lage genau dies zu tun und machen sogar fast reflexartig im Laufe der Zeit fast nur noch, was andere ihnen sagen. Zuhause die Eltern, dort die Lehrer, später die Vorgesetzten oder andere "Autoritäten" wie Ärzte, Religionsführer oder Politiker. Die Vorstellung ganz ohne auszukommen, würde bei den meisten Menschen Unbehagen auslösen. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum es Politiker noch immer gibt.
Das anerzogene Naturgesetz, keine Eigenverantwortung tragen zu können, zieht sich wie ein roter Faden durch das Leben des so genannten zivilisierten Menschen: wir haben jemanden, der/die uns Essen in die Regale stellt, der die uns Textilien näht und ein Haus zu wohnen gibt. Klar, bezahlen wir das mit unserem Geld, das wir wiederum auf unserem Kompetenzsektor erwirtschafteten, aber hin und wieder darf man auch einmal eine unbequeme Frage stellen: würden wir unser Fleisch selbst von der Weide holen, wenn es ab Morgen keine Wurst mehr im Supermarktregal gäbe?
Würden wir eigenverantwortlicher mit unserer Gesundheit umgehen, wenn wir ab Morgen keiner Krankenkasse mehr angehören würden? Oder: wie gestaltete sich unser Leben, wenn wir für Morgen keine Vorsorge mehr treffen dürften? Ich stelle mir sogar vor, dass alles Ersparte ähnlich eines Handy-Prepaid-Guthabens nach anderthalb Jahren aufgebraucht sein muss, ansonsten verfällt. Das muss doch ökononisch wahnsinnige Konsequenzen nach sich ziehen (hihi das nennt man dann Senkung des Leitzins, oder?) Endlich würde nur das produziert, was auch gebraucht wird, es wäre viel schwieriger Bedürfnisse bei Menschen zu wecken, die sie bis dato de facto nie hatten.
Die Idee einer intelligenten Masse finde ich zu beruhigend. Das klingt, als würde man jede Kreativität und Genialität aus Angst vor Willkür und Gewalt lieber zu einer wabernden Plumperquatsch-Urzelle-sie-weiß-schon-was-sie-tut-denn- sie-hat -gespeichert-speichert-speichert-jahrmillionenalte-Überlebenstrategien aufgeben. Nein, zu einer Entwicklung gehört nicht nur die qualitativ breite Evolution sondern auch das sprunghaft revolutionäre, somit auch Gewalt und Verbrechen. Auch das hat die "Masse-Zelle" gespeichert, denn sie ist nicht dumm, sie beschneidet sich nicht ihrer Bandbreite, indem sie die Extreme aufgibt.
Soweit mein erster Ein- und Auswurf, ich habe heute leider nicht viel Zeit, aber das ist ja auch schon etwas
LG, wallenstein