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THEMA: Spielen lernen? Spielend lernen!

Spielen lernen? Spielend lernen! 12 Dez 2009 11:30 #83262

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Es ist letztendlich eine gesellschaftliche Entwicklung, die wir nicht mehr zurück drehen können. Eine gewisse Entfremdung gegenüber der Musik.
Bei den afrikanischen Völkern (von diesen zumindest weiß ich es) bildeten Gesang, Sprache, Arbeit und auch Freizeit eine Einheit. Das Jagen im Urwald wurde singend begangen, mit dem Gesang wurden die gerade wichtigen Informationen ausgetauscht.
Wir hingegen können arbeiten, ohne zu singen und singen, ohne zu arbeiten.

Und weil wir es trennen können, haben wir das Problem, dass die Musik nicht als Muttermusik übergeben wurde und wir zum Ausgleich einmal in der Woche ein Stunde Unterricht nehmen.

Ich glaube, dass Lehrer und Schüler eigene Konzepte entwickeln sollten, die a) dem Schüler einen Weg zum eigenständigen Lernen (Spielen) ermöglichen und b) den Lehrer weitgehend überflüssig machen. Das geht natürlich nur bei engagierten Schülern. Beim 'sich hängen lassen' bis zur nächsten Stunde wird der Saxlehrer zum besseren Freizeitanimateur.

Ich hatte früher selbst Klarinettenunterricht. Gelernt aber habe ich zu Hause mit dem Piano spielenden Bruder, der immer irgend welche absurden Akkordkombinationen auf dem Klafünf fingerte und mir nichts anderes übrig blieb, als die richtigen Töne dazu zu finden. Vom Ohr in die Finger. Weiter gelernt habe ich mit jeder Menge Schallplatten und Tonbändern, zu denen ich mitspielte, später mit den diversen Bands auf Straßen und Bühnen. Im Grunde war das Wichtigste, immer in der Musik zu sein. Man übt genau das, was man tut und wenn man trockene Akkordübungen macht (sicher auch mal sinnvoll), dann übt man, alleine in der Wohnung zu stehen und eben trockene Akkordübungen zu machen.

Die beste Übung fürs Musizieren ist und bleibt das Musizieren selbst, so banal es ist. Ich kannte Schüler, die haben sich so an Übungen gehängt, dass sie super Über geworden sind, nur haben sie nie angefangen, Musik zu machen.

Was der Lehrer machen kann:
Phrasen vorspielen und nachspielen lassen, Akkorde spielen und die richtigen Töne dazu finden lassen. Den Unterricht rein musikalisch abwickeln: das kann schon beim 'guten Tag' sagen anfangen, indem er eine Begrüßungsphrase bläst, die der Schüler beantwortet. Dann beginnt er mit einem Bassriff, den der Schüler sich abhört. Sobald der Schüler den intus hat, soliert der Lehrer drüber, anschließend wechseln sie sich ab. Alles geschieht in der Musik. Es gibt keine Trennung von Lernen und Spielen, will heißen, man lernt nicht erst einen Akkord, um ihn später anzuwenden, sondern man versucht, ihn direkt in der Musik zu spielen. Der Lehrer solte darüber hinaus stets über ein Akkordinstrument verfügen und auch medial alle Möglichkeiten haben, den Schüler entsprechend einzubetten.
Macht der Lehrer das gut, so sollte bald die Musik selbst dem Schüler den Weg weisen, den er gehen will. Macht der Lehrer es gut, so ist er also bald weitgehend überflüssig.

Was der Schüler tun kann:
Er sollte seiner Musik nachspüren, seiner inneren und der, die er gerne hört und machen will, sich mit ihr umgeben, in ihr leben, hören, woraus sie besteht und mit ihr mitspielen, ihre Melodien in die Finger bekommen, sie singen und spüren. Er sollte möglichst bald eine Gruppe von Mitmusikern finden, möglichst rasch seine Musik vorspielen, Weihnachtsfmusik machen, auf der Straße und auf Sessions spielen, Mitmenschen, Geschwister und Freunde zum zusammen Musizieren animieren.

Wenn der Schwerpunkt des 'Lernens' ein wenig in diese Richtung verändert werden könnte, kämen die meisten schneller zum Spielen.
Letzte Änderung: 12 Dez 2009 11:30 von pue.
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Spielen lernen? Spielend lernen! 12 Dez 2009 12:26 #83266

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Hallo Pue
100% Zustimmung Ich suche seit einiger Zeit auch in dieser Richtung. Ich spiele regelmässig mit einem Key-Menschen zusammen und am besten klingt es oft, wenn wir einfach drauflosmachen, wohl so ähnlich wie du es mit deinem Bruder beschrieben hast. Allerdings ist mein Partner wohl deutlich organisierter, was die Wahl seiner Akkorde anbelangt. Ich mache aber die Erfahrung, dass meine Partner oft Mühe bekunden, einfach mal ohne grosse Absprache mit etwas zu beginnen und zu schauen, was draus wird. Offenbar ist man dauernd drauf fixiert, etwas speilen zu wollen, was andere vor-organisiert haben...eigentlich schade, ja.

LG
antonio
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Spielen lernen? Spielend lernen! 12 Dez 2009 12:35 #83267

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Guter Beitrag und wünschenswertes Konzept, pue.
Zur Musik und Arbeit: Ich stelle mir gerade ein Grossraumbüro vor, wo alle ihre Musik trällern. ;)

Schöne Grüsse, Billy
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Spielen lernen? Spielend lernen! 12 Dez 2009 13:20 #83272

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Hallo, Pue!

Danke für dein Statement. Einiges davon erlebe ich im Unterricht schon, anderes schlage ich nächsten Mittwoch sofort mal vor!! :)

Wieso nur finde ich, dass es gar nicht anders sein könnte, als du es schreibst? Von der anderen Seite her formuliert: Gibt es tatsächlich Musikschüler, die nicht möglichst schnell auftreten wollen? Die nicht möglichst schnell mit anderen gemeinsam musizieren wollen? Ich kann mir das nicht vorstellen, dass jemand ausschließlich Unterricht nimmt und sonst nichts daraus macht.

Es scheint ja so zu sein, weil du selbst von unengagierten Schülern geschrieben hast. Nur - warum hören die dann nicht mit dem Unterricht auf? Überspitzt: Kennen die sonst niemanden, der mit Ihnen spricht?

Auf deiner Liste dessen, was der Lehrer machen kann, würde ich in diesem Sinne noch etwas ergänzen wollen: Der Lehrer kann ausdrücklich ermuntern, in sich die Musik zu finden, die man mag und selbst machen will. Das könnte das Engagement und die Motivation schon befördern, denke ich. Für mich selbst wusste ich das sehr schnell, aber ich bin ja auch schon älter.

Wie ist das mit Kindern, die zu euch Lehrern als Musikschüler kommen? Wann sagen die den Lehrern, was sie mögen und machen wollen? Sagen die euch überhaupt etwas darüber, warum sie Musik machen wollen und warum ausgerechnet dieses Instrument? Sagen die euch etwas über Ziele, die sie mit dem Instrument haben? Ich könnte mir vorstellen, dass auch Kinder und junge Jugendliche (ältere sowieso) dahingehend schon Vorstellungen haben, sie aber vielleicht nicht so ausdrücken können. Seid ihr Musiklehrer auch dafür da, dabei zu helfen? Ich habe da keine Erfahrung zu, aber es interessiert mich.

Wie Nietzsche geschrieben hat: "Ist man über das 'Warum' seines Lebens mit sich im Reinen, so giebt man dessen 'Wie?' leichten Kaufs." Oder kürzer: Wer sein "Warum?" kennt, findet sein "Wie?" von alleine.

Gruß
Markus
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Reeds-Shop

Spielen lernen? Spielend lernen! 12 Dez 2009 13:23 #83274

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Moin!

Jo, lernen durch hören!

Gleichwohl muss der Mensch z.B. eine 45 sec. Melody ca. 20 mal wiederholen damit es verinnerlicht bleibt! :blink:

Außer man ist so veranlagt wie Mozart! ;)


LG Hans
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Spielen lernen? Spielend lernen! 12 Dez 2009 13:34 #83275

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HWP schrieb:
Gleichwohl muss der Mensch z.B. eine 45 sec. Melody ca. 20 mal wiederholen damit es verinnerlicht bleibt!

Ja, nur manchmal frag ich mich, ob das überhaupt ein Ziel ein soll. Damit gerät man schon wieder in die Nähe des Reproduzierens. Für mich geht es zunehmend mehr darum, das zu spielen, was aus dem Moment heraus entsteht und immer weniger das was andere erfunden haben. Auch wenn es sehr schön klingt :)
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Spielen lernen? Spielend lernen! 12 Dez 2009 13:37 #83276

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Gleichwohl muss der Mensch z.B. eine 45 sec. Melody ca. 20 mal wiederholen damit es verinnerlicht bleibt!

Das kommt sehr auf die Melodie an und da sind wir wieder bei der 'Muttermusik'. Man merkt sich die Melodie ja nicht Ton für Ton, sondern merkt sie sich Phrasenweise. Anders herum: die vier Zwölftonschnipsel, die ich neulich auswendig spielen wollte, sind immer noch nicht 100% in den Fingern, weil die Melodien nicht den üblichen musikalischen Floskeln entsprechen. Da reichen keine 20 Wiederholungen, während ein Kinderschlaflied in der Regel nach 3 mal Hören abrufbar sein sollte.
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Spielen lernen? Spielend lernen! 12 Dez 2009 20:42 #83286

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Hi Pue,
ist ein lobenswerter Vorsatz, so mit seinen Schülern um zu gehen.
Macht aber leider nicht jeder Musiklehrer mit.
HAb auch lange gesucht bis ich jemanden gefunden habe der so arbeiten kann.
Wenn ich nicht grad ein Problem habe, das ich für ein Stück, welches wir mit der BAnd proben, keine Idee habe wie man sich mit dem SAx da einbringt.
Ansonsten spielen wir call and response, er gibt vor ich spiele nach oder umgekehrt. HAb ich jede Menge durch lernen können. Ich kann zwar noch nicht alles auf der Bühne umsetzen, wird aber zunehmend besser.

Schönen Adventssonntag

Alfred
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Spielen lernen? Spielend lernen! 13 Dez 2009 00:27 #83294

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Schöne Diskussion, die es verdient hat, bis zum Ende durchgefingert zu werden ;)

Für mein Verständnis muss man Kinder- von Erwachsenen"pädagogik" trennen. Wir Erwachsenen sind leicht zu motivieren, wir lernen, weil ein Auftritt ansteht, wir lernen aus Angst vor Imageverlust oder, um jemandem zu imponieren. Wäre möglich. Möglich wäre auch zu Lernen, weil wir Ehrgeiz haben, etwa weil Geld für den Unterricht ausgegeben wurde oder weil wir uns verwirklichen wollen.

Kinder sind wesentlich unversauter, sie lernen, weil es Spaß macht und sie würden dann nicht einmal von Lernen reden. Entweder macht es Spaß, oder es nervt. Basta! -- Und dass Schule nervt, haben die meisten kleinen Menschen schnell herausgefunden und weil Musikschule hinten am Ende diese zwei tötenden Silben trägt, nervt diese ebenso!

Ich habe gesehen, wie Musiklehrer hinten ins Übungsbuch die Hausaufgaben und Etuden geschrieben haben, als wenn dies normal wäre. Dabei ist Musik Freizeit! Wenn mein Kind eine Bastelgruppe besucht oder den Kindergottesdienst, bekommt es auch keine Hausaufgaben. So aber lernt es, dass Musik nicht etwas Kreatives ist, sondern ein verlängerter Schulwurmfortsatz.

Dies führt dazu, dass nur die Harten in den Garten kommen -- eben nur die, denen Gesang gegeben, etc. Aber das sorgt aber auch dafür, dass Musiklehrer eine Autorität an die Hand bekommen, die sie so nicht verdient haben. Jeder Fußballtrainer im Hobbyverein muss sich mehr Gedanken machen, wie er seine Jungs motiviert (er kann schlecht ins Heft schreiben: "bitte bis 22. 12. mehr Torwandtraining!") als diese verknöcherten Musikpädagogen, denen offensichtlich Kraft ihrer musikalisch-künstlerischen Passion nicht zuzumuten ist, einen didaktischen Auftrag zu erfüllen?

Pfft ...

Jeder, der mit Kindern arbeitet weiß, dass sie ein dankbares "Publikum" sind, dass sie von Hause aus motiviert sind, dass sie jeden Blödsinn mitmachen -- nur eben muss er Spaß machen. Dies ist die einzige Bedingung, aber wenn man anstelle von Spaß hundertelf Tonleitern mit vierundachtzig Freizeitstunden hinopfern muss, macht es keinen Spaß.

An dieser Stelle kommen die Erwachsenen ins Spiel, sie überlegen, wie man da etwas "beibiegen kann", und nennen es Pädagogik: man muss die Kinder soweit bekommen, dass sie endlich ehrgeizig werden, etwa aus Angst vor Imageverlust, oder man schafft ehrgeizige Ziele, die dem Ego zuträglich sind: "keine spielt so schön Flöte wie du", oder: "wenn du mal nur fleißig übst, wirst du später ein berühmter Musiker." Positive Verstärkung nennt man das, glaube ich, und wenn man die Kinder einmal auf diesen Kurs eingeschwenkt hat, dann ... JAAH!

Dann braucht es eigentlich keine Pädagogik mehr, denn Erziehung braucht man nur, wenn es etwas zu *ziehen* gibt. So aber haben wir unsere kleinen Menschen -- eben weil sie formbar sind, verzogen.
Leider haben wir auch die Chance verpasst, etwas von ihnen zu lernen, etwa ... was Pädagogik ist! :)
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Spielen lernen? Spielend lernen! 13 Dez 2009 13:42 #83300

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wallenstein schrieb:
Jeder Fußballtrainer im Hobbyverein muss sich mehr Gedanken machen, wie er seine Jungs motiviert (er kann schlecht ins Heft schreiben: "bitte bis 22. 12. mehr Torwandtraining!")
Da würde ich nicht drauf wetten, es herrscht dort -IMO- ein ähnlicher Leistungsdruck. Fragt sich nur, woher der kommt.

Von den Kindern jedenfalls nicht, es sind die Eltern, die im Kindergarten massiv Englischkurse fordern oder die Kleinen beim Judo anmelden in der Erwartung, daß die in einem Jahr tunlichst einen Schwarzen Gürtel zu tragen haben. Ballettunterricht hat mindestens direkt zum Staatstheater zu führen, Musikunterricht ins Konservatorium.

Wenn in einem derartigen Kontext ein Lehrer nicht performed, wird er eben ausgewechselt.

Was viele Eltern antreibt, ist nicht der Spaß der Kleinen sondern
- Selbstverwirklichung über die Bande
- Statusdünkel, "also unser Sohn nimmt ja nun auch noch Golfunterricht..."
- oder die schlichte Reduktion des Nachwuchses auf ein Investitionsobjekt und den damit erforderlichen ROI

Und deshalb werden die Kids zu Sachen überredet, genötigt oder schlimmstenfalls geprügelt, zu denen sie weder begabt noch gewillt sind.

Schönen Gruß!

frickler
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