Das Ganze ist vom Ursprungsthema ja schon ein wenig abgeglitten, aber bei solch philosophischen Themen hab ich auch immer eine Mainung
Die Natur, so wie sie sich in den letzten paar Milliarden Jahren offenbar entwickelt hat, verwendet immer die gleichen, bewährten Rezepte in verschiedenen Variationen.
Eine der ersten, wichtigsten und erfolgreichsten "Erfindungen" des Lebens war doch: den Nachbarn zu fressen und zuzusehen, das man selbst möglichst lange davon kommt. Materie Aufbau mit Hilfe von anorganischer Nahrung und Sonnenlicht ist dagegen eine neue, relativ junge Erfindung.
Wir sind als Menschen Teil dieser Entwicklung und unter unserer dünnen Schicht "Zivilisation" noch genau die gleichen Affen, die wir schon vor 100.000 Jahren waren.
Jedes Lebewesen, bis hinunter zur Bakterie erkennt Situationen, die eine Gefahr für das Individuum darstellen und Strategien, solchen Situationen auszuweichen. Bei mehrzelligen Individuen trifft das gleichermaßen auf die einzelnen Zellen des Organismus zu, die aber, um ein höheres Ziel zu erreichen in großem Maß "recycled" werden.
Man kann das Schmerz, Angst und Selbsterhaltungstrieb nennen, aber das impliziert ein gewisses Maß an Individueller Erkenntnis. Ein Einparksensor oder eine Notbremshilfe im Auto erfüllen essenziell die gleiche Funktion ohne dass wir dem Auto einen "Selbsterhaltungstrieb" unterstellen würden.
Was uns in unseren Augen besonders macht ist der Umstand, dass wir über uns selbst nachdenken und diese Gedanken anderen mitteilen.
Durch unser umfangreiches Denkorgan empfinden wir uns als eigenständiges, wertvolles Individuum. Wir überblicken einen großen Bereich unseres vergangenen und zukünftigen Lebens und können eine aktuelle Situation in diesem Kontext bewerten. Wir haben Ziele und versuchen diese zu erreichen. Das macht uns glücklich oder unglücklich.
Entsprechend empfinden wir den Tod als tiefen Einschnitt und nicht als notwendigen Teil des Lebens. Wir werden daran gehindert und weiter persönlich zu entfalten. Als soziale und empfindsame Wesen fühlen wir gleichermaßen gegenüber dem Schmerz oder Tod anderer Personen. Stark bei nahestehenden, weniger stark bei unbekannten, noch weniger bei "uns ähnlichen Tieren" und noch einmal weniger bei uns unähnlichen Lebewesen.
Ich bin auch ein Verfechter der "Behandle alles mit Respekt" Philosophie, trotzdem bedeutet MEIN Gefühl, einem "Nahrungstier" gegenüber noch nicht automatisch, dass es das genau so empfindet.
Wenn wir uns die Nahrungskette in den verbliebenen natürlichen Gebieten ansehen, dann erkennt man eine wesentlich weniger "empfindliche" Struktur. Wenn die Löwinnen ein Antilopen Rudel angreifen, dann rennen alle um ihr (persönliches) Leben. Eine wird erwischt und getötet und die anderen beruhigen sich fast sofort wieder. Die Gefahr ist vorbei, mich hat's diesmal nicht erwischt. Gut gegangen. Die Trauer um den verblichenen Mitgefährten hält sich in Grenzen. Das ist Teil des (individuellen) Lebens und die Evolution hat es offenbar nicht für nötig befunden, den Antilopen ein soziales Erleben zu bescheren. Gemeinsam gegen die Löwen, da hätten die kaum eine Chance. Das ist ihnen offenbar nicht wichtig genug.
Wenn in einem Affenrudel ein Junges vom Krokodil gefressen wird, dann sieht die Sache ganz anders aus. Da ist das ganze Rudel tagelang verstört, hat also offenbar eine andere Beziehung zum Tod.
Das ist keine Rechtfertigung dafür Hühner in Käfigen zu quälen, erlaubt aber die Frage, ob unsere Nahrung tatsächlich in vergleichbarer Art unter der jeweiligen Situation leidet wie wir das an deren Stelle tun würden.
Ich esse gerne ein gutes Stück Fleisch, achte aber beim Kauf auch darauf, dass es aus der Region kommt und da ich in einer kleinbäuerlichen Umgebung lebe, kann ich davon ausgehen, das die Tiere nicht wie anderswo unnötig gequält werden. Ich kann mr auch vorstellen, in freier Wildbahn meinen Teil als Raubtier selbst in die Hand zu nehmen, wenn es die Lage erfordert und ich würde nicht vor Mitleid vergehen. Das ist völlig überzogen.
Sollen wir etwa generell "das Töten von Tieren zur Nahrungsgewinnung" als unmoralisch und verwerflich brandmarken? Müssen dann alle Raubtiere verhungern, weil sie entsprechend ihrer Natur und auch zum Wohle einer gleichmäßigen "Grasfresser" Dichte handeln?