Es gibt hochintellegenten Jazz, der Käse ist und einfachste Rhythmen, die genial sind.
Ich würde die Aussage wie folgt modifizieren wollen: Es gibt hochintelligenten Jazz, der Käse ist und einfachste Musik (Rhytmus, Harmonie, Melodie), die uns emotional mehr anspricht und uns besser gefällt. Mit dem Wort "genial" bin ich immer äußerst vorsichtig. Ich habe von Musil "Der Mann ohne Eigenschaften gelesen, und dort die Story von dem "genialen Rennpferd"...
Natürlich malt meine Tochter Bilder, die mir viiel besser gefallen als die von Kandinsky oder Miro usw. Und die gefallen mir schon richtig gut. Aber es ist doch wohl so, dass die genannten Herren eine ganz andere handwerkliche Fähigkeit und Ausbildung besitzen als meine Tochter. Die können kompliziert und einfach, abstrakt und gegenständlich, einfach alles - ich würde sie sogar als "genial" bezeichnen. Meine Tochter ist äußerst talentiert (sagt der stolze Papa), aber sie kann nun mal nicht das, was diese Meister können. Zurück zur Musik und dem Sax: Wenn ich mir eine Transkription eines Charlie Parker Parker Solos ansehe, werde ich den Eindruck nicht los, dass man fast jeden zweiten Takt nehmen kann, und aus den Tonfolgen, modern arrangiert, neue, "geniale" Hits machen könnte. Dieser Saxophonist strotzt nur nur so von Kreativität, ein Hit nach dem anderen, so nehme ich das jedenfalls wahr. Das ist doch ein Steinbruch voller Perlen. Nur, weil er so verschwenderisch damit umgeht, und seine Perlen so schnell hintereinander verschenkt, nehmen wir als ungeübte Hörer das nicht mehr als genial einfach wahr. Aus einem Solo von Charlie Parker kann ein Rapper Dutzende von Hits samplen, wenn er taktweise oder in noch kleineren Schritten vorgeht. Umgekehrt kann ich mir das kaum vorstellen. Bei Parker steckt einfach mehr Substanz drin. Und deshalb gilt meine Bewunderung eindeutig eher ihm als einem Gangsterrapper aus der Bronx oder Neuwied-Weißenkirchen.
Trumbauer und Wiedoeft mit seinem C-Melody sind enorm wichtig, weil sie die ersten waren, die als Saxophonisten explizit in Erscheinung getreten sind.
Max, das glaube ich Dir aufs Wort. Ich frage mich nur, warum die beiden - im Gegensatz zu Hawkins, der in vielen Büchern als der musikalische Pionier des Saxophons dargestellt wird, er selbst hat das ja immer abgelehnt - heute praktisch nicht mehr gehört und wahrgenommen werden, abgesehen von Kennern.
Wenn dagegen z.B. ein Ben Webster nicht auf der Liste ist, gehört Lucky Thompson auch nicht drauf. Wie gesagt, es geht mir nicht um die Besten, sondern um die Einflussreichsten…
Geschenkt.
Nee, ich glaube, es passiert genau das Gegenteil. Es baut sich Komplexität auf.
Da bleibe ich skeptisch. Ich habe den Eindruck, dass die Phase des Ausreizens musikalischer Möglichkeiten schon seit längerem abgeschlossen ist. Die Sache mit der Quart (übrigens auch die kleine Terz sorgte für Aufruhr) ist doch längst ein alter Hut. Spätetens seit Ornette Coleman haben wir doch alle Intervalle durch. Also, die Komplexität ist auf der höchsten Stufe angelangt (wenn man mal nur von unserer Halbtonarchitektur ausgeht). Und die flat5 findet niemand mehr seltsam, o.k. Nur, wie oft wird davon Gebrauch gemacht? Meine Stars auf der Gitarre waren z. B. Hendrix und Galagher. Das fand ich damals höchst anspruchsvoll, die Krone der musikalischen Evolution. Was ich als Teen noch nicht wusste: Es gab Charlie Christian schon zwei Generationen zuvor. Es gab schon Akkordfolgen, von denen Led Zeppelin noch nie etwas gehört haben. Kurzum, ich bin fasziniert von der Musik der alten Meister. Ich denke, sie waren ihrer Zeit weit voraus und die breite Masse der heutigen Musiker können ihnen nicht im Geringsten das Wasser reichen. Wenn ich mir heute Saxophonisten anhöre, richtig gute, sagen wir, James Carter oder Garbarek, finde ich bei denen nichts, von dem sagen könnte, dass es das nicht schon vor 50 Jahren oder früher gegeben hat. Und im Bereich Popmusik hat sich doch schon garnichts getan. Selbst die (rhythmisch sicher interessanten) Rapper bringen doch nichts Neues. Sprachlich waren die Dadaisten schon viel weiter. Scatgesang gibt's auch schon länger. Und gesungene Sprechgesang-Triolen sind keine neue Erfindung. Ich nehme das als Kosmetik war, als Kratzen an der Oberfläche, aber nicht als substantielle Innovation oder Zunahme von Komplexität. Und weil uns nicht mehr viel Neues einfällt, wird gecovert und gecovert und gecovert.
Sorry, ich muss hier abbrechen. (Ein Aufatmen geht durch die Menge :-D )