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THEMA: Über Harmonie, Akkorde und Melodien

Über Harmonie, Akkorde und Melodien 20 Mär 2009 18:37 #72128

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...bis ich das so locker aus dem Ärmel schüttel. ..

Hab ich geschrieben, dass ich das locker schüttel? Weil es nur drei Skalen sind, finde ich, bekommt man sie aber ennoch recht schnell in die Finger.

Zum Bb-Griff: ich glaube, man hat immer einen Hauptgriff. Ich bewundere die, die alle drei Griffweisen gleich gut einsetzen können. Ich hab das Saxspielen autodidakisch gelernt und immer mit Seiten-Bb gespielt, weil ich das von der Klarinette kannte. Den Ais-Heber für den linken Ringfinger, den die Klarinette hat, gibt es leider nicht auf dem Sax.

Welche Griffe gut fluppen, hängt meines erachtens immer von der persönlichen Vorliebe ab. Schnell kann man auch mit dem Seiten-Bb sein, außer bei 5-6 ganz bestimmten Verbindungen, wo ich die F- oder F#-Taste benutze.
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Über Harmonie, Akkorde und Melodien 20 Mär 2009 21:47 #72133

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Ah alterierte Tonleiter..

Hat mich früher immer vor Ehrfurcht erstarren lassen wenn sich Kollegen über so was unterhalten haben..

Mir fällt auf, dass da eigentlich eine F#/Gb Durtonleiter steht, mit um einen Halbton erhöhten Grundton. Ich setze das ganze mal um einen Halbton runter dann wird es übersichtlicher..

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Jetzt haben wir F mit erhöhtem Grundton. Nun komme ich aber in Sortierlaune. Guckt mal hier:

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Hey Cool! Unten D Dur, oben D Moll. Oder noch mal anders sortiert:

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Unten G Moll, oben G Dur. Moment mal, das ist ja jetzt G Harmonisch Moll geworden.

Finde ich interessant wie viele Umdeutungsmöglichkeiten es da gibt. Aber letztendlich is ja wichtig dass das Tonmaterial gut über den #5 Dominansept klingt. Und das tut sie ja. Ich hatte das auch schon mal für meine Lieblingsvariante für diesen Akkordtyp entdeckt, habe dann aber immer Dur mir erhöhten Grundton gedacht. Mir war nicht bewusst das es die berühmte alterierte Tonleiter ist.. Das ist ja schön, da bin ich ja jetzt von der Ehrfurchtserstarrungskrankheit kuriert.. :woohoo:

Die Alterierte Tonleiter wird ja auch gerne über den alterirten Akkord empfolen. Also X7alt. Über dieses Akkordsymbol habe ich lange Nachforschungen betrieben. Die Fachliteratur bietet da wenig Eindeutiges. BiaB spielt wenn ich G7alt eingebe G H D# F A#. Keine Ahnung ob man das als offizielle Wahrheit hinnehmen kann. Ich habe mich damit zufrieden gegeben. Wie seht ihr das?

@pue
pue schrieb:
Zum Bb-Griff: ich glaube, man hat immer einen Hauptgriff.
Ja genau, ich bin der totale FrontBbfan, erobere mir aber langsam das SeitenBb dazu. Ich merke das ich immer öfters nachdenke wie ich was am besten greife. Und auch immer öfter fällt dabei die Wahl aufs SeitenBb. Diese F- F#- Alternative war bisher nich so mein Ding..


@ Weso
Bedeutet das, du Übst F# und H Dur mir dieser Variante oder auch so wie pue nur bei bestimmten gelegenheiten?
Letzte Änderung: 20 Mär 2009 21:51 von mckoi.
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Über Harmonie, Akkorde und Melodien 20 Mär 2009 23:56 #72136

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Ja, das macht ab einem bestimmten Zeitpunkt richtig Spass, umzudeuten, Parallelen zu sehen und Verbindungen zu knüpfen. Ich weiß aber auch, wie schwer es für viele ist, bis an diesen Punkt zu kommen. Kein Problem, wenn man von Anfang an Spass hat; aber wie du auch sagst, mckoi allein die Kollegen, die Überflieger, die über die b13 diskutieren und wissen, was Coltrane im 56. Takt von Afro Blue gespielt hat.

Deine Durtonleiter auf F ohne F mit F# wäre was für das Tritonussubstitut in F-Dur, oder?

Gut erkannt, die melodische Molltonleiter, die sich in der alterierten Leiter versteckt. So lautet oft die Definition der alterierten Tonleiter: melodisch Moll auf der siebten Stufe. Klingt ganz einfach. Isses aber nicht.

Der nächste Absatz geht jetzt nicht gegen dich mckoi, sondern gegen diejenigen, die meinen, eine alterierte Tonleiter durch eine melodische Molltonleiter definieren zu wollen. Selbst für den Theoretiker müsste der Zusammenhang absurd erscheinen. Die Defi stimmt ja, macht aber überhaupt keinen Sinn.

Ich versuche nun mal der Reihe nach aufzuschreiben, was in meinem Kopf vorginge, würde ich mit dieser Definition in einer Jamsession auf einen G 7#5-Akkord stoßen.

1. G 7#5 heißt, ich spiele die alterierte Tonleiter
2. Alteriert ist melodisch Moll ab dem 7. Ton
3. Grundton des harmonischen Moll wäre also Gis
4. Gis-Moll hat 6 Kreuzchen entsprechend H-Dur
...uff
5. bei melodisch Moll sind 6. und 7. Ton erhöht, also erhalte ich Eis und Fisis
(Eis ist gut, mir qualmt der Kopp)
6. Ok, es geht also um Gis-Moll melodisch ab Fisis
7. Ich velwechsere den 6. und 7. Ton einfach enharmonisch, ah, ergibt F un G
...ich sehe Licht am Horizont
8. öh, nu schnell die Leiter zusammen bringen, mom... g-g#-a#-h-c#-d#-f-g
Alles klar... ...trö... ...Moment, warum steht die Rhythmusgruppe eigentlich an der Bar?


Vielleicht wird nu klar, warum ich mit superlokrisch, lydisch und den ganzen unsinnigen Deutungen nichts anfangen kann in der Praxis.

Praxis heißt, das Gehirn ausschalten und Gehör und Finger spielen lassen. Dazu müssen die Finger wissen, wo die Leitern sind und das heißt, sie sich vorstellen und sie spielen, möglichst oft.
Fürs Rechnen ist da keine Zeit.

Ich habe euch zwei Tonleitern vorgestellt, die ihr über die modifizierten Dominanten spielen könnt. Die H.-G.-Tonleiter und die Ganztonleiter. Die alterierte ist eine Kombination der beiden: unten dim und oben ganz anders. Was wir brauchen, ist eine Liste der dominanten Akkordtypen und welche der beiden Tonleiterhälften wir wo gebrauchen können. Das wäre übersichtlich und leicht zu merken.
Letzte Änderung: 20 Mär 2009 23:58 von pue.
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Über Harmonie, Akkorde und Melodien 21 Mär 2009 08:52 #72140

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mckoi schrieb:
Die Alterierte Tonleiter wird ja auch gerne über den alterirten Akkord empfolen. Also X7alt. Über dieses Akkordsymbol habe ich lange Nachforschungen betrieben. Die Fachliteratur bietet da wenig Eindeutiges. BiaB spielt wenn ich G7alt eingebe G H D# F A#. Keine Ahnung ob man das als offizielle Wahrheit hinnehmen kann. Ich habe mich damit zufrieden gegeben. Wie seht ihr das?

G7alt ist in meinem Verständnis, von Wolf Burbat geprägt ("Die Harmonik des Jazz"), Jungbluth schreibt das glaube ich auch so, eine so weitgehend wie möglich verschärfte Dominante, also mit alterierter 9 zu b und #9, #4/b5, #5/b6.

Genau die hast du ja aufgelistet. Und
wenn man da eine Grundskala sucht, von der man die verschiedenen Stufen, die sog. Modi ableiten kann, bietet sich natürlich melodisch Moll aufwärts ein Halbton drüber an. Also quasi das Gegenstück zur Durtonleiter nur mit kleiner statt großer Terz.

Und verschiebt man dan Grundton des G7alt um den Tritonus, landet man eben bei Db7#4, mit ansonsten normalen Mixolydisch. Und die #4 bei Db7 ist deshalb wichtig, (bei Db also das G), weil dies der ursprüngliche Grundton der ja eigentlich gegebene Dominante G7 ist, von der sich das Db7 ja ableitet.
Um nochmals auf die Akkorde verschiebenden Gitarristen zurückzukommen,
(/: G7, G7,G7 Db7 / C7, C7 C7, Ab7 :/
die spielen ja oft schon eine (normale) 9 oder auch 13 im Db7 mit. Insofern ist die Skala Db7#4 (mixolydisch mit #4) bzw = G7alt wohl die "amtlichste" bzw üblichste Standartlösung für tritonusvertaushte Dominanten. Was natürlich andere Möglichkeiten auch zulässt.

Ich hoffe das war halbwegs verständlich ausgedrückt. Und nur als kurze Ergänzung, mein Ansatz ist etwas anders als der von Pue, das wird sonst ev etwas unübersichtlich, deswegen halte ich mich
genau wie Corcovado etwas zurück, lese aber gerne mit, und bekomme ein paar Dinge mal etwas anders beleuchtet.
Es gibt ja verschiedenste Möglchkeiten, sich diesen Dingen zu nähern. Und Pue hat eine schöne stimmige Entwicklungslogik dabei.
@pue
Zum Bb-Griff: ich glaube, man hat immer einen Hauptgriff.
Ja genau, ich bin der totale FrontBbfan, erobere mir aber langsam das SeitenBb dazu. Ich merke das ich immer öfters nachdenke wie ich was am besten greife. Und auch immer öfter fällt dabei die Wahl aufs SeitenBb. Diese F- F#- Alternative war bisher nich so mein Ding..

@ Weso
Bedeutet das, du Übst F# und H Dur mir dieser Variante oder auch so wie pue nur bei bestimmten gelegenheiten?

Ich übe keine Durtonleitern, sowieso kaum Skalen. Im übrige denke ich auch nicht über bs und Kreuze. Idealerweise sehe ich den Akkord / die Tonalität ähnlich wie ein Gitarrengriffbild plus alle möglichen Optionen dazu, auch chromatische etc. -
Ich möchte einfach alle Optionen jederzeit sozusagen grenzenlos zur Verfügung haben.

Was machst du denn z.B., wenn du b und h, und D oder andere Griffe wirklich schnell im Wechsel spielen willst?
sagen wir mal /:b, h, b, d :/

lG
Werner
Letzte Änderung: 21 Mär 2009 08:58 von Weso.
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Über Harmonie, Akkorde und Melodien 21 Mär 2009 13:14 #72152

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Hallo weso,

von hinten nach vorne.

Zur Griffweise

Wenn du dich auf eine Griffweise eingeschossen hast, geht damit fast alles. ich kann deine Verbindung gut und schnell mit Seiten-Bb spielen. Heißt nicht, dass ich es propagiere. Das sind individuelle Überrese autodidaktischen Lernens.


Zum Üben

Ich seh das so: Musikkunst machen ist wie das frühere Wäschefärben: färben, in die Sonne zum Bleichen legen, färben, in die Sonne zum Bleichen legen, färben usw.. Nur so wird das Tuch tiefblau.
Ich schaue mir Sachen an und verinnerliche sie, in dem ich sie übe. Beim Spielen möchte ich frei davon sein und denke weder an eine Tonleiter noch an Akkordsymbole. Ich vergesse mein Wissen sogar wieder, benutze es rein intuitiv, bis ich mich wieder bewußt damit beschäftige, diesmal aber auf einer ganz anderen Basis.

Ich kann Harmonielehre nicht in einem Durchgang lernen und auch die richtige Tonleiter zum richtigen Akkord zu wissen, macht noch keine Improvisation aus.

Lernen, spielen, vergessen, lernen, spielen, vergessen...
Der Prozess geht bis zum hoffentlich nicht so bitteren Ende meiner selbst weiter.

Und jeder steht an einer anderen Stufe, hat eigene Assoziationen, du z.B. Gitarrengriffe.


Zu den alterierten Akkorden

Danke für deine Ergänzung, weso. Dazu habe ich eine Frage: ist für dich der #4 mit dem b5 identisch? Aus dem Akkordsymbol #4 ist halt nicht ersichtlich, ob die Quinte mitgespielt wird oder nicht.

Es ist tatsächlich etwas unübersichtlich, was man zu den alterierten Dominantseptakkorden liest. Ich habe mir nun noch einmal die Mühe gemacht, zu recherchieren und empfinde die Nomenklatur von Rolf Pfitzner als sehr gelungen:
Unter einer alterierten Dominante versteht man einen Septakkord, ergänzt durch eine oder mehrere alterierte Quinten und eine oder mehrere alterierte Nonen.
Die diatonische Quinte eines Septakkordes ist die reine Quinte; sie kann hochalteriert (#5) oder tiefalteriert (b5) werden.
Die diatonische None eines Septakkordes ist die grpße None; sie kann hochalteriert (#9) oder tiefalteriert (b9) werden.
Somit können dem Akkord vier neue Töne hinzugefügt werden. Man wird jedoch nicht alle gleichzeitig spielen, sondern eine Auswaahl treffen. Schon bei der Verwendung eines dieser Zusatztöne spricht man non einem "alterierten Akkord".

aus: Jazzklavier - Grundlegende Anleitung zur Improvisation von Rolf Pfitzner

Vielleicht können wir uns auf diese Definition einigen.

Zu den Skalen sag ich hier nichts, weil ich dazu ausführlicher in der nächsten Lektion schreiben werde.
Letzte Änderung: 21 Mär 2009 13:15 von pue.
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Über Harmonie, Akkorde und Melodien 21 Mär 2009 20:07 #72166

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Leitern über alterierte Dominantseptakkorde

Wenn ich mir das Material in den Lehrbüchern und im Internet über die alterierte Akkorde und Tonleitern ansehe, wird mir schwindelig. Die Angaben sind oft abweichend, die Nomenklatur verwirrend bis falsch.

Ich möchte euch nun zeigen, wie man mit 5 Leitern in allen Tonarten über alle alterierten Akkorde spielen kann. Ein neues System? Keine Ahnung, weil ich nicht so viel Literatur darüber gelesen habe. Heute morgen las ich von Abersold, dass er wohl ein ähnliches System benutzt.

Bis hierhin sind 4 Tonleitern über alterierte Akkorde im Gespräch:

1. Die Halbton-Ganzton-Leiter
2. Die Ganztonleiter
3. Die alterierte Leiter
4. Die mixolydische Leiter mit der übermäßigen 4

Ich notiere mal die Halb- und Ganztöne der Leitern der Reihe nach:

1.
HGHGHGHG
2. GGGGGG
3.
HGHGGGG
4. GGG
HGHG


Hier wird augenfällig, was ich in der letzten Lektion schon andeutete. Wenn ich die Leitern als aus zwei Hälften bestehend betrachte, brauche ich diese nur unterschiedlich zu kombinieren, um alle vier Leitern zu definieren. In Notenform sieht es so aus:

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Ich brauche tatsächlich nur zwei Leitern zur ganzen Konstruktion. Da es von der H-G-Leiter nur drei und von der Ganztonleiter nur zwei Varianten gibt, muss man also ganze fünf Tonleitern spielen können, um alle alterierten Akkorde aller Tonarten abzudecken.

Es fällt aber noch mehr auf: in allen Leitern bleibt der 7 b5-Akkord erhalten (rote Noten). Wenn man die schwarzen Note betrachtet, ergibt sich auch eine logische Aufteilung der Töne. Entweder sitzt eine Note in der Mitte oder 2 Noten kleben durch einen Halbtonschritt getrennt an den Akkordtönen dran.

Es fällt weiter auf, dass in den vier Tonleitern alle chromatischen Töne außer C und F# enthalten sind.


So, eigentlich wollte ich ja nicht alles selber machen, aber wenn es sonst niemand macht: schauen wir, welche Leiter zu welchem Akkord passt.

G 7b5....1..2..3..4.
G 7#5........2..3.....
G b9......1......3.....
G #9......1......3.....

Akkorde mit Kombinationen von mehreren alterierten Tönen habe ich hier weggelassen. Auch diese gibt es. Zur Not macht es unsere Wunderwaffel Nr. 3, die Alterierte.
(Falls ich es noch nicht gesagt habe: bei den Nonenakkorden ist die kleine Septime , wenn nicht anders angegeben, immer mit dabei.)

Dies war mein kleines Baukastensystem zu alterierten Akkorden. Ich halte es für sehr übersichtlich und praktischer, als die Konstruktion der alterierten Leiter aus der melodischen Molltonleiter ab dem 7. Ton.

Der Umgang mit diesem neuen Material ist nicht von heute auf morgen zu schaffen. Man muss die Leitern spielen, die Akkordzusammenhänge spielen, singen und denken und sollte Bebop hören (denn hier kommen die Alterierten Akkorde zum Jazz). Ich werde auf weitere Übungen hier verzichten, weil ich die Sachverhalte erklären möchte und kein Epüdenheft schreiben wollte.


Letzte Änderung: 25 Mär 2013 12:09 von pue.
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Über Harmonie, Akkorde und Melodien 22 Mär 2009 13:41 #72175

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Über die Melodie

Kulturhistorisch gehört das, worüber ich heute schreibe, an den Anfang der gesamten Abhandlung. Die Melodie ist neben dem Rhythmus die Grundlage und Ursprung der Musik.

Bis zum Mittelalter war die abendländische Musik von der Melodie geprägt. Erst danach bildete sich die Mehrstimmigkeit durch die Überlagerung von eigenständigen Melodien. Das waren die Anfänge der Polyphonie. Es entstand eine Kompositionstechnik, eigenständige Melodien so zu kombinieren, dass gleichzeitig ein vertikales harmonisches Gebilde entstand. Dies Kunst nennt man Kontrapunkt. Die Lehre des Kontrapunktes ist im Laufe der Jahre bestimmten Veränderungen unterworfen gewesen, weil sich mit der Mehrstimmigkeit auch das Gefühl für Konsonanz und Dissonanz änderte.
Über die Regeln des Kontrapunktes berichte ich gerne ausführlicher in einer gesonderten Lektion, ist doch Grundsätzliches dieser Lehre auch in der modernen Musik von großer Bedeutung.
Eine Harmonielehre, die die Akkordstruktur dieses Tonsystems erklärt, entstand erst nach dem Kontrapunkt.
Die Melodie ist also der Ursprung unserer Musikkultur und erst durch sie sind später Akkorde und letztlich das vorherrschende Dur-Moll-System entstanden.

In der klassischen Musiktradition spielen die eigenständigen Melodien, aus denen sich das harmonische Gerüst ergibt, eine große Rolle. In der populären und Volksmusik dagegen finden wir meist nur eine eigenständige Melodie über einer harmonischen Basis wieder. Mehrstimmigkeit findet hier nicht durch eigenständige Melodien statt, sondern durch parallele Stimmführung, Frage und Antwortstrukturen oder akkordische Strukturen statt. Die Popmusik hat mit dem Kontrapunkt nicht all zu viel am Hut.

Trotzdem hat die Melodie auch in diesem Bereich einen Bezug zum vertikalen akkordischen Tongeschehen. In der Regel finden sich die Töne eines Akkordes auf den betonen Zählzeiten der Melodie wieder: 'Al-le mei-ne Ent-chen' fängt auf dem Grundton der Tonika an und steigt in Achteln die Dur-Tonleiter hoch. Die betonten Zeiten spiegeln den Akkord wieder, während auf den unbetonten Zeiten nichtakkordeigene Töne stehen: 1 + 2 + 3 _ 4. Das ergibt eine akkordische Struktur mit so genannten Durchgangstönen auf den nichtbetonten Zählzeiten. Hält sich die Melodie nicht an diese Regel und stellt nichtakkordeigene Töne heraus, so bedeutet das Spannung.

Das ist ein Merkmal einer Melodie. Ein anderes, viel grundsätzlicheres, ist ihre Nähe zur Sprache. Die Grundlage der Melodie ist der Satz; gleich ihm hat sie einen Anfang, Pausen für die Atmung, sinngemäße Abschnitte und ein Ende. Form, Länge und Intensität sind also nicht willkürlich, sondern spiegeln die Strukur der menschlichen Kommunikation. Ein nimmer enden wollendes Solo in Swingachteln empfinden wir gleich einem monotonen Gelaber als Gedudel. Kurze zusammenhanglose Fragmente deuten wir als Zwischenruf entsprechend unseren alltäglichen Sprachgewohnheiten.

Mehr noch als der Satz kann die Melodie in ihrem Auf und Ab Gefühle transportieren, einmal durch das benutzte Tongeschlecht und zum anderen durch ihre Linienführung. Dabei gilt die aufsteigende Melodieführung in der Regel als Stärke, Steigerung, Fragestellung und gesteigerte Erwartung auf das Kommende. Die fallende Melodie kann Bedrückung, Antwort, Beruhigung und Entspannung bedeuten.
Die Auswahl der gebrauchten Tonleitern und Intervalle lassen feine Abstufungen und Wechsel des emotionalen Ausdrucks zu.

Man unterscheidet tendenziell vertikale und horizontale Melodieführung, wobei erstere größere Sprünge in Terzen oder größeren Intervallen macht und zweitere eher kleine Intervalle gebraucht. Beispiele für vertikale Melodieführung sind 'In The Mood' oder 'Freedom Jazz Dance'. Horizontales Musterbeispiel dürfte der 'Samba de una Nota Sola' sein, dessen Text sich zudem auf genau diese Sache bezieht.

Obwohl wir grundsätzlich damit in der Lage wären, auch satzferne Gebilde zu spielen, sprechen wir also immer noch mittels unserer Instrumente. Eine Aneinanderreihung 'richtiger' Töne macht eben noch keine Melodie.
Dass heißt auf der anderen Seite aber nicht, dass man eine solche Sprachstruktur nicht auch durchbrechen kann, denn gerade im Kontrast zu den Hörgewohnheiten ergeben sich hier eigene Effekte. Als Beispiel fallen mir überlange Töne durch Zirkularatmung, serielle Loops oder die klangliche Abbildung anderer Phänomene (Maschinen, Brandung ...) ein. Hier eine 'Nichtmelodie' von Kraftwerk, die durch Weglassen von Tonhöhenänderung die Monotonie der Autoban abbildet.


Nun noch zu einem Punkt, der mir gerade in dieser schnelllebigen Zeit sehr am Herzen liegt: die Pausen! Wie schon oben erwähnt, macht die 'normale' Melodie irgend wann mal eine Pause, a) weil der Spieler mal atmen muss und b) aus Gründen der Strukturierung.
Die Pause, oder besser, die Stille, ist für mich wesentliches Element der Musik. Wie die leere Leinwand oder der schwarze Bildschirm Grundlage für die kommenden Bilder sind, ist die Stille unabdingbar, um mit Musik anzufangen. Ohne die Abwesenheit von Klang und Geräusch kann Musik nicht beginnen und nicht aufhören.
Steigende allgemeine Geräuschpegel durch Verkehr, Lüftungen, Heizungen, Neonröhren, Handys haben ihre Auswirkungen auf unsere Musik, der ständige Wettlauf nach Aufmerksamkeit und der Grundlärmpegel lassen unsere Musik laut, schnell und hektisch werden. Die Umweltgeräusche vor, während und nach einem Musikstück verändern dieses.

Grund genug, sich auf die Stille zu besinnen. Und das gilt eben auch im Umgang mit der Melodie. Die Melodie will gesetzt sein, entsprechend den gesprochenen Sätzen. Ein gewichtiger Satz wirkt nur dann, wenn ich ihn stehen lasse, ihm Raum gebe. Wie dem Bild in einer Galerie, welches eine ganze Wand bekommt, um seine volle Wirkung zu erzielen. Die Wand darf nicht zu groß und nicht zu klein sein. Das Bild bestimmt seine Umgebung und so macht es auch die Melodie; sie braucht eine adäquate Pause, die sie zur Geltung bringt.

Das alles sind keine Dogmen und das Durchbrechen der Prinzipien immer spannend, ein Nebengedanke mag angehängt, eine Einleitung davor gestellt sein, das Wesen einer Melodie ist aber eine zusammenhängende Idee. Und deshalb besteht sie nicht nur aus den richtigen Tönen zu den entsprechenden Akkorden, sondern einer Sinneinheit und deren Umgebung.

Das Nichtspielen in der Musik ist mindestens so wichtig wie das Spielen. Eine schöne Improvisationsübung dazu ist, erst dann zu spielen, wenn man das Nichtspielen nicht mehr aushält. Oder anders: man erzählt erst dann etwas, wenn man auch was zu sagen hat. Probiert es mal aus.

Das war das Wort zum Sonntag, einen schönen Frühling.
Letzte Änderung: 01 Mai 2009 14:56 von pue.
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Über Harmonie, Akkorde und Melodien 23 Mär 2009 10:48 #72215

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Ich hab mal ein Inhaltsverzeichnis gemacht, mittels dessen nun alle bisherigen Lektionen schnell aufgefunden werden können. Der Link zum Inhaltsverzeichnis steht auch unter jedem Artikel von mir.

Die Links des Inhaltsverzeichnisses öffnen sich einmalig in einem neuen Fenster. Dort wird der Inhalt aktualisiert, sobald ihr ein neues Kapitel anwählt. Es geht also nicht immer ein neues Fenster auf. Am besten macht man sich das Inhaltsverzeichnis klein neben das Anzeigefenster.
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Über Harmonie, Akkorde und Melodien 23 Mär 2009 18:05 #72239

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Stark - danke ...
du bist echt unermüdlich!
Liebe Grüße Astrid


Conn C-Melody, S-Bogen mit Tuner, MP Steamer Ritual Melody 2,48 mm
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Über Harmonie, Akkorde und Melodien 23 Mär 2009 20:38 #72244

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Weitere Akkordtypen

Heute ein paar weitere Akkordtypen mit kleinen Beispielen, wie sie typischer Weise auftauchen bzw. eingesetzt werden.


1. Der halbverminderte Septimakkord.

Den halbverminderten Septimakkord kennen wir schon aus dem Stufenmodell mit Septimen. Er taucht auf der VII. Stufe auf oder wird häufig als II. Stufe in Moll gebraucht. Sein Symbol ist der hochgestellte kleine durchgestrichene Kreis oder ausgeschrieben m7b5.

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Hier eine I-II-V-I-Verbindung in Moll

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2. Der erminderte Septimakkord.

Den verminderten Septimakkord kennen wir auch bereits aus dem V9b-Akkord. Er besteht aus dem verminderten Dreiklang plus der verminderten Septime. Seine Symbole sind der hochgestellte Kreis ° oder °7 oder der Zusatz dim (dim7) von 'diminished'. Als Leiter zum Improvisieren über den Akkord bietet sich die HG-Leiter an, die abwärts auch umgekehrt gespielt werden kann, quasi als GH-Leiter.

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In der Praxis kann er zum Beispiel so eingesetzt sein:

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3. Sus-Akkorde.

Sus (engl. suspend =vorübergehend aussetzen, lat. suspendo=schwebend halten) zeigt einen Vorhaltakkord an. So bezeichnet sus4 einen Akkord, in dem statt der Terz die Quarte des Grundtones gespielt wird. Meist löst man diesen zur Terz auf. Beim sus2-Akkord wird die Terz durch die große Sekunde ersetzt.

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Hier ein Beispiel mit sus4- und sus2-Akkorden

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4. Add-Akkord

Wie der Zusatz schon andeutet, wir hier ein Ton addiert, hinzugefügt. Will man z.B. eine None hinzufügen, so schreibt man add9. Ohne das add würde ansonsten hier die Septime mitgespielt. Bei add2 kommt die Sekunde dazu, ohne das die Terz (wie beim sus2) weggelassen wird.

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5. Slashakkord

Der Slashakkord ist ein Akkord mit hinzugefügtem Basston. Der kann einer der Akkordeigenen Töne sein, so dass es sich streng genommen um eine Umkehrung handelt, oder ein beliebiger anderer Akkord sein. Notiert wird der Basston mit einem Schrägstrich (Slash) hinter oder unter dem Akkord. So ist z.B. ein Ebj7/C im Grunde nichts anderes als ein Cm9-Akkord. Manchmal ist die Notierung als Slashakkord im Zusammenhang schlüssiger.

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Hier bleibt der Bass liegen und die Akkorde wandern.

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Hier wandert der Bass und die Akkorde bleibe liegen.

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In beiden Fällen bildet die Symbolnotierung das Geschehen besser ab als die herkömmlichen Zeichen.


6. Polychord

Beim Polychord werden zwei Akkorde gleichzeitig gespielt. Sie werden durch eine Strich getrennt übereinander notiert, kommen aber eher seltener vor.

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Das ist gar keiner? Doch ist einer; wenn man ihn jedoch anhört, merkt man schnell, dass es ein b9-Akkord ist. Aber notieren könnte man ihn natürlich so.


7. Powerchord

Der Powerchord kommt aus dem Rock und wird z.B. oft im Heavy Metal eingesetzt. Ihm fehlt die Terz; er besteht also nur aus zwei Tönen, ist quasi geschlechtslos. Notiert wird er als X5, Xno3, Xomit3 oder einer kleinen durchgestrichenen 3. Wird ein Dreiklang über Verzerrer gespielt, ist das Klangergebnis häufig zu dicht und wirr, deshalb eignet sich das ausgedünnte Neutrum besser für so modifizierte Klänge.

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Hier wirds erklärt.



Das ist schon mal eine ganz schöne Sammlung. Sollten uns noch Akkorde begegnen, die ich hier nicht aufgeführt habe, so besprechen wir sie bei Gelegenheit.

Wie wäre es mit einer weiteren Werkanalyse? Vielleicht etwas mit Slash und alterierten Akkorden? Gibt es Vorschläge?

Letzte Änderung: 01 Mai 2009 15:30 von pue.
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