Schöner Vorschlag, chrisdos. Mal schaun, was wir machen; ein anderer Vorschlag, den ich erhielt, war 'My Funny Valentine'. Das Stück hat den Vorteil, dass es stärker auf die eigenständige Bassmelodie aufbaut, langsamer ist und somit besser vermittelt, um was es geht.
Heute geht es noch nicht weiter, aber damit ihr euch nicht langweilt, wollte ich euch einen kleinen Text zeigen, der sich mit auch mit Orpheus auseinandersetzt, allerdings mit dem von Franz Liszt.
Franz Liszts Ausspruch: 'jeder Akkord kann jedem folgen' zeigt, ähnlich wie die Geschichte des Jazz, den Aufbruch in eine tonale Welt, die sich von den vorherrschenden Funktionen wie Tonika und Dominante zu lösen sucht.
Hier ein Ausschnitt aus:
Tonalität der Tonfelder
Anmerkungen zu Bernhard Haas (2004), Die neue Tonalität von Schubert bis Webern. Hören und Analysieren nach Albert Simon, Wilhelmshaven: Noetzel
Michael Polth
"...
Arten der Tonfelder
Simon kennt drei Arten von Tonfeldern: >Funktion<, >Konstrukt< und >Quintenreihe<. Jedes ist nach einer eigenen Gesetzmäßigkeit gebaut.
Die >Funktion< besteht aus vier Grundtönen im Kleinterzabstand sowie aus den vier Quinttönen der Grundtöne. Die acht Töne entsprechen der Halbton-Ganzton-Skala (>Oktotonik<) oder dem zweiten Modus von Messiaen. Es gibt drei Funktionen (beginnend mit c, cis und d; die Funktion auf es entspricht der ersten).
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Beispiel 1: >Funktion< nach Simon
Das >Konstrukt< besteht aus drei Tönen im Großterzabstand sowie deren Quinttönen. Die sechs Töne bilden eine Skala aus Halbtonschritten und Kleinterzen. Es gibt vier Konstrukte.
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Beispiel 2: >Konstrukt< nach Simon
Die >Quintenreihe< besteht aus drei bis zehn Tönen im Abstand von reinen Quinten. Nach der Zahl der Töne wird unterschieden zwischen >Triton<, >Tetraton<, >Pentaton<, >Hexaton< usw.
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Beispiel 3: >Quintenreihe< nach Simon
Tonfelder sollen helfen, bestimmte Klangwirkungen, die vor allem die Harmonik von 1850 an prägen, differenzierter zu verstehen. Drei wesentliche Eigenarten der >spätromantischen< Tonalität sind bereits durch die Eigenschaften der Tonfelder impliziert:
daß der Akkord-Zusammenhang nicht durch eine Tonart vermittelt werden muß,
daß zusammenhängende Töne nicht immer eine klare Diskretion in bestimmte Akkorde (im traditionellen Sinne) zulassen und
daß Akkorde, die in ihrer Klangwirkung voneinander abhängen, satztechnisch nicht auf gleicher Ebene liegen müssen.
Vermittlung durch eine Tonart
Die Sinfonische Dichtung Orpheus von Liszt beginnt mit der Akkordfolge Es-Dur - A-Dur-Septakkord - C-Dur. Obwohl man mit gewissem Recht behaupten darf, daß die Komposition insgesamt in C-Dur steht, bilden die drei Akkorde des Anfangs keinen Zusammenhang, der durch eine Tonart vermittelt wäre: Es-Dur muß nicht innerhalb von C-Dur als tP und A-Dur als Tp7 gehört werden (oder Es-Dur als T und A-Dur als (TP) [Tp]). Vielmehr erscheinen die Akkorde zunächst unmittelbar und schließlich durch ein Tonfeld aufeinander bezogen.
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Beispiel 4: Liszt, Orpheus, >tonikale Funktion< des Beginns
Die harmonische Wirkung eines jeden Akkordes resultiert zunächst daraus, welchen anderen Akkorden er folgt. A-Dur erfährt eine besondere Beleuchtung durch seine Stellung nach Es-Dur, C-Dur wiederum durch seine Position nach Es-Dur und A-Dur. Auch der gemeinsame Ton g, den die Hörner einstreuen, und die Bewegung des Basses zu Beginn (b-a) prägen die Klangwirkungen.
Für die eigentümliche harmonische Wirkung der Akkorde haben die traditionellen Harmonielehren keinen Begriff. Er wäre mit Äquivalenzwirkung am besten beschrieben. Äquivalenz meint den Eindruck, daß verschiedene Akkorde wie unterschiedliche Seiten ein und desselben Klanges wirken. So ist der A-Dur-Akkord zwar neu und von Es-Dur unterschieden, und doch scheint er nur dasselbe aus einem anderen Blickwinkel zu sagen, was auch der Es-Dur-Akkord ausdrückt (die Äquivalenz von Akkorden ist nicht mit dem Stellvertretergedanken der Funktionstheorie zu verwechseln, bei dem Nebenakkorde den Platz einer Hauptfunktion einnehmen können). Die Äquivalenz ist eine der Wirkungen, die dem Hörer durch das Tonfeld >Funktion< bewußt gemacht werden sollen. Nach Simon bilden die Akkorde Es-Dur, A-Dur-Septakkord und C-Dur verschiedene Ausschnitte aus derselben Funktion. Die harmonischen Beziehungen der Akkorde sind dadurch geprägt, daß sich ihre Töne sukzessiv zu einem Tonfeld ergänzen.
..."
aus:
http://www.gmth.de/zeitschrift/artikel/210.aspx
Das, was hier mit Äquivalenz sehr gut umschrieben ist, hat mit dem Tritonussubstitut sehr viel gemein. Oder ist es gar das Gleiche? Mir macht es fast den Anschein, als spielten wir alle nach dem gleichen Bauplan, der vorgegeben scheint und nur darauf wartet, entdeckt zu werden.
Und mit Entdecken meine ich, etwas finden, nicht im Sinne von erfinden, sondern im Sinne von vorfinden.
Bebop klingt anders als Liszt, beide Kunstformen spiegeln in ihrer Ausprägung stark die soziale Struktur, in denen sie entstanden sind. Was ihnen aber gemein erscheint, ist die Entdeckung einer gewissen 'Tritonusäquivalenz', auch wenn zwischen Liszt und Parker ein knappes Jahrhundert liegt.