das Thema Improvisation interessiert mich, vielleicht darf ich ein wenig von der Anfängerfront berichten?
Zuerst einmal frage ich mich, was ein musikalischer Mensch ist. Es gibt ja IQ-Tests, aber gibt es auch Tests, mit denen sich Musikalität auslesen lässt?
Ich kann nach acht Jahren Gewerkschafts-Chor ganz gut singen. Ich bilde mir ein, eine Vorstellung davon zu haben, wie sich "Hänschen Klein" o. ä. anhört und kann es bei besonderen Anlässen vortragen. Singen! Nun aber schnalle ich mir das sax um und versuche es zu spielen -- uuuhhhh, das wird ein elendes Gefingere: Tausendmal probiert, tausendmal gefingert, aber Musik ist das nicht. Inzwischen laufen auch die Kinder die eigentlich mitsingen wollten/sollten entnervt weg und ich frage mich, wie kann das?
Es ist immer dasselbe, es ist, als fehle eine Synapse im Hirn -- vom Hirn zu den Fingern, sozusagen. Die klangliche Vorstellung ist da, aber sie drückt nicht die richtigen Klappen.
Dasselbe vor zwei Monaten: mein Saxlehrer wollte, dass ich eine Tonleiter einstudiere, also Noten aufschreibe, Tonleiter rauf und runter zuhause spiele, bis das gebongt war. Nun hat er sich ans Klavier gesetzt, Harmonien gespielt und gesagt: "du kannst jetzt dazu etwas improvisieren."
Improvisieren? ja äh, ja! ... was nun? der Lehrer hat ja so lustig dahingeklimpert, nur was sollte ich jetzt tun?
Dazu muss ich sagen, dass ich eigemtlich Leute hasse, denen man dauernd sagen muss, was sie tun sollen, wie es weiter geht, etc. aber nun war ich schlichtweg in derselben Lage und ich wusste nicht, WAS ZU TUN IST!
Was eine Improvisation ist, weiß ich. Auch, wie klasse sich das anhört. Aber wie macht man das?
Wahrscheinlich hat das alles damit zu tun, dass ich von früh auf auf Noten fixiert war. So, wie man zum Reden die Sprache benutzt, habe ich zum Musizieren Noten gebraucht. Das Einzige, was ich frei improvisieren kann, ist den Stimmton a.
Ich frage mich, ob ich ein hoffnungsloser Fall bin. Mein Lehrer will nun mein Gehör schulen, wobei ich meine, mit meinem Gehör ist alles in Ordnung. Ich habe selbst schon in der Bücherei nach Improvisation-Lern-Literatur Ausschau gehalten, ohne Ende. Unterirdisch fühle ich einen Widerspruch, nach Improvisier-Literatur Ausschau zu halten zu müssen (wie passt das zusammen?), aber vielleicht geht es vielen hier so wie mir, vielleicht krallt man sich an Lernmaterial, wo es doch gerade darum geht, sich davon zu verabschieden und frei zu werden?
Hm, keine Ahung.
Im Internet fand ich etwas von Mantooth und das Konzept ist denkbar einfach: im Hintergund läuft das Klaviergeplänkel und der Saxophonist stößt einen beliebigen Ton an:
TUT
Im Folgenden:
TUT, TUT, TUT
Wiederholen:
TUT, TUT, TUT
Wiederholen.
Nun mit Nachbarton:
TUT, TUT, TÄ
Wiederholen:
TUT, TUT, TÄ
einen Ton höher:
TÄ, TÄ, RÄ!
Wiederholen:
TÄ, TÄ, RÄ!
Dann:
TÄ, TÄ, RÄ -- TUT.
TÄ, TÄ, RÄ -- TUT.
Usw. usf. das ist simpel einfach und genial. Die ganze Übung baut sich so auf und schult das Gehör. Nach dem Vorspiel bleibt Zeit, es nachzuspielen und es wird dreimal wiederholt -- falls man beim ersten Mal danebengefingert hat.
Das geht mit viel Geduld ab und ich habe zum ersten Mal -- na ja, ab der dreihundertsten Wiederholung gemerkt, dass es langweilig wird und ... und nun ja, da habe ich das Thema ein wenig modifiziert und ... kneif mich: das war meine erste Improvisation!
Ein denkbar einfacher Einstieg, wie ich finde. Ob das der rechte Weg ist, weiß ich nicht.
btw. spiele ich auch heute noch tausend Mal lieber Musik nach Noten
LG, wallenstein