Ich frage mich, ob jemand der von Geburt an Gehörlos ist, Saxophon spielen lernen kann?

Ich hatte mal vor einiger Zeit einen Bericht im Fernsehen über eine Klavierspielerin gesehen, die Gehörlos ist, aber sehr beeindruckend Klavier spielen kann. Da kann ich es mir ja noch vorstellen genau wie bei einigen anderen Instrumenten. Beim Saxophon habe ich dann aber schon so meine Probleme.

Was meint ihr, ist das möglich? Ich meine, man könnte ja mit Stimmgerät am Anfang üben und würde vermutlich mit der Zeit die Töne hinbekommen. Aber, kann man auch die "Seele" hinbekommen. Ich meine, das Sax ist wie eine Stimme, man kann mit ihm unwahrscheinlich viele Gefühle ausdrücken. Wie macht das jemand, der nie zuvor Musik gehört hat, wie beschreibt man jemanden, das er aggresive, gefühlvoll, leise, laut etc. spielen soll, wenn er es nicht hören kann.

Die Klavierspielerin hat mich sehr fasziniert.

Musik hört man nicht nur, Musik kann man auch fühlen.

Verliert man einen seiner Sinne oder muss von Anfang an auf einen verzichten, schärfen sich die anderen um so mehr.

Statt zu hören, kann man es fühlen. Wir Sehenden müssen dazu nur entsprechend lauter spielen. Of genug passiert es, das Gläser im Regal anfangen zu vibrieren, abgehängte Decken ebenso (gell Toko)

Probiere es aus, du merkst dann die Vibrationen und Schwingungen ganz schnell. Nun konzentriere dich darauf und du wirst die Töne spüren. Gehörlose haben ein derartig geschärften Gefühlssinn, das sie das schon bei leisen Tönen ganz sicher fühlen.

Wozu nutzt man z.B. Bissplättchen?

Ja, Gehörlose können Saxophon spielen lernen. Meine ich. Frage wäre, wie schwer ist es spielen zu lernen für Gehörlose?

Hmmmmm... interessantes Thema....

Ich habe eine Freundin, die gehörlos ist. Aber sie kann Musik "spüren", wie sie es nennt. Besonders wenn sie laut ist.
Und sie interessiert sich für die Schwingungen, die ein Instrument produziert und versucht, sie mit den Fingern zu erspüren.
Als auf einem Fest der Drummer plötzlich voll draufhaute ist sie regelrecht erschrocken. Den Rumms hat man aber auch total in den Knochen gespürt.
Aber das ist ein interesantes Gesprächsthema. Werde mich mal mit ihr darüber unterhalten.
Michi am Saxophon....
*grübel*
vielleicht an meinem Bari...
Das Schwingt und vibriert so schön....

SlowJoe

Da muß ich an "Jenseits der Stille" denken. Der verfolgt "leider" die These, daß Musik-Erleben ein ursprüngliche Ton-Erfahrung voraussetzt (die hörende Tochter mit ihrer Klarinette ist/wird durch ihre Leidenschaft für Musik weitgehend von ihren von Geburt an gehörlosen Eltern entfremdet).
Andererseits ist da auch die wunderbare Szene drin, in der gehörlose Kinder auf dem Bauch liegend die Bodenvibrationen aus einem Lautsprecher erspüren.

Da wäre es natürlich schon schön, authentische Stimmen zu hören. Slowjoe, frag doch mal freundlich nach


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<em>editiert von: doc, 13.02.2006, 23:15 Uhr</em><!-- end editby -->

Ja, ich weiß schon, dass sie die Schwingungen spüren. Aber ich kann ja auf dem Sax z.b. einen Ton einfach nur leise spielen oder unwahrscheinlich viel Gefühl reinlegen. Wie kann man sowas spüren oder vermitteln? Oder wenn ich Töne ziehe?
Wie kann man die Gefühle in der Musik vermitteln? Ich kann ja stur, gerade nach Noten spielen, oder eben total ausdrucksstark und gefühlvoll.
Kann man solche Schwingungne spüren? Wie ordnet sie ein Gehörloser ein? Wie kann man ihm erklären, was dieser Ton ausdrückt. Ich stelle mir das unwahrschwienlich schwer vor.
Es ist wie wenn man ein Noteblatt vor sich hat. Mir persönlich sagt das ersteinmal nicht viel. Wenn ich es das erstemal spiele auch noch nicht, wenn ich das Stück kenne und es mit Emotionen spiele, ist es was ganz anderes. Versteht ihr was ich meine?
Sie werden solche Dinge vermutlich ganz anders sehen als wir.

Wir setzen Töne in Gehirnströme um und ordnen diese dann Gefühlen zu. Das Gefühl 'Weihnachtsmusik' z.B. hängt mit einer Jahreszeit, mit Zimt, mit Kerzen und unendlich vielen anderen Dingen zusammen. Grundsätzlich besteht kein Grund dazu, anzunehmen, dass man gefühlte Schwingungen nicht auch damit assoziieren kann. Anderes Beispiel: ein wesentlicher Aspekt der Musik ist der Rhythmus oder erst einmal das Tempo, da dürfte es kaum unterschiedliche Empfindungen geben.

Ich glaube schon, dass Gehörlose eine ganz eigene Schwingungswelt aufbauen. Ob sie mit unserem Tonweltempfinden übereinstimmt, ist eine Frage ähnlich dieser: wie sieht Grün aus? Keiner könnte es dem Marsmenschen definitiv beschreiben, aber alle Menschen wissen, dass es des Tannenbaums Farbe ist.

Hallo Ihr!

Ich denke mal, zwischen Klavier und Saxophon gibt es einen entscheidenden Unterschied:
Im Klavier sind die Töne vorgefertigt. Es gibt keine Probleme mit der Intonation (es sei denn, das Klavier müsste dringend mal gestimmt werden). Es gibt auch keine Probleme mit der Klangfarbe: Man drückt auf die Taste, und der Ton ist da.

Beim Saxophon muss man selbst intonieren. Dazu gehört ein gutes Ohr. Wer das nicht hat...
Ebenso bestimmt man ja mit Hilfe des Ansatzes, wie der Ton klingen soll. Ich denke, ohne Gehör kann man keine Tonvorstellung entwickeln und den tatsächlichen Ton nicht in die vorgestellte Richtung beeinflussen.

Also Musikinstrument lernen: Im Prinzip ja, aber nur mit Instrumenten mit vorgefertigten Tönen. Perkussion: Überhaupt kein Problem! Da gibt es wahre Künstler ohne Gehör!

Gruß Alf

doc schrieb:
Da brauche ich gar nicht viel nachzufragen, ich werde mit Fragen bombardiert. Michi weiss, dass ich Saxophon spiele und da kommen öfters Fragen wie: "Sag mir, wie es ist" oder "Sag mir, was es für Gefühle erzeugt, wenn Du Musik machst" oder "Ist da ein Unterschied zwischen Musik machen und Musik hören?" und so weiter. Und ich armes Schwein stehe dann da und versuche zu erklären. Das ist gar nicht so einfach!!

Ich ziehe mich meist auf Analogien zwischen Musik und Malerei zurück, erkläre, dass es wie bei Farben auch bei Tönen sanfte Abstufungen in Lautstärke und Klang"farbe", aber auch harte Brüche und Kontraste gibt, und dass diese, wie bei einem Bild, Emotionen erzeugen. Und dass Musik machen so was ähnliches ist wie ein Bild malen oder eine Rolle in einem Schauspiel zu spielen...

Und trotzdem.... ganz rüberbringen kann ichs halt nicht.

@mos
also ein "Gefühl" für Töne hat sie ganz sicher, Michi kann nämlich sehr gut sprechen. Das ist bei einer Gehörlosen sehr ungewöhnlich.Das hat zum Einen mit der Engelsgeduld ihrer Mutter zu tun, die ihr in mühsamer Arbeit das Sprechen (ich weiss nicht wie) eingetrichtert hat. Und zum Anderen damit, dass das Weib hochintelligent ist. Sie hat z.B. an einem ganz normalen Gymnasium ihr Abi gemacht und ganz normal (soweit man das so bezeichnen kann) Wirtschaftsinformatik studiert (allerdings mit weitaus mehr Aufwand ind Engagement als ein "normaler" Student.
Sie kann phantastisch von den Lippen ablesen (Ausser wenn ich beim Sprechen grinse oder lache oder ständig in der Gegend herumgucke und sie nicht ansehe). Dann gibts einen Anschiss.

Auch ein "Gefühl" für Tonhöhe, Lautstärke und in gewisser Weise auch Klangfarbe ihrer Stimme hat sie sicherlich. Sie bittet einen z.B. immer, mit auf ihre Lautstärke zu achten und ihr Rückmeldung zu geben, ob sie zu laut oder zu leise spricht, denn sie kann ja nicht hören, wie laut die Hintergrundgeräusche sind und ist damit z.B. in einem Restaurant viel zu laut oder auf einer Fete zu leise. Und ihre Stimme und ihre Sprechweise drückt durchaus ihre Emotionen aus.
Hochinteressant: ihr Lachen oder ihr Jammern hört sich genau so an wie bei einem Hörenden....

Werde sie mal vorsichtig fragen ob sie Lust hat, mal auf meinem Cello oder ner alten Gitarre rumzuzupfen und über ihre Eindrücke zu reden. Will sie allerdings zu nix drängen...

SlowJoe

Hallo und einen schönen guten Morgen,

ich habe vor ein paar Jahren mit einem Freund zusammen eine Diashow für eine Diplomarbeit mit dem Titel: "Musik nur wenn sie laut ist" gemacht. Von Herbert Grönemeyer gibt es einen gleichnamigen Musiktitel. Bei dieser Gelegenheit habe ich eine gehörlose junge Frau kennen gelernt. Es war faszinierend zu sehen was sie für ein Gefühl für Töne hat. Sie hat die Musik regelrecht gefühlt und hat danach getanzt. Es gibt viele Arten seine Sinne einzusetzen. Ich selbst bin auch schwerhörig und höre die tiefen Töne deutlich besser. Daher interessiert mich die Obertonreihe weniger. Bei mir muss es brummen. Mein Lehrer sagt immer ich solle die tiefen Töne nicht so laut spielen.

Schöne Grüße......Georg

"Der Mann ihrer Träume muss ein Bassmann sein, das Kitzeln im Bauch macht sie verrückt..."

Yep, ich glaube schon, dass ein(e) Gehörlose(r) Sax lernen kann. Sicher wird jedoch kein Virtuose dabei entstehen, aber der Spass an der Musik steht ja auch bei vielen anderen von uns eher im Vordergrund, als der Eintrag ins Guinness-Buch der Sax-Virtuosen.

HanZZ