Sorry, dass es mit einer Antwort so lange gedauert hat, aber ich war ziemlich beschäftigt, deshalb erst jetzt ein paar Anmerkungen:
Es stimmt, dass ich seit Anfang des Jahres Endorser für Vandoren Produkte bin, allerdings dauert es immer recht lange, bis man offiziell als Endorser gelistet wird, ausserdem ist es erst einmal eine Art Probejahr, damit beide Seiten sehen können, ob man gut miteinander arbeiten kann...
Ich möchte ausdrücklich betonen, dass ich natürlich "parteiisch" sein muss, trotzdem nicht als Vandoren-Vertreter hier auftreten will, sondern aus meiner Erfahrung mit Mundstücken im allgemeinen etwas zu den V16-Mundstücken sagen möchte:
Meine Erfahrung mit V16 beschränkt sich auf die Kautschuk Mundstücke für Alt- und Tenorsax. Ich habe zwar vor einigen Jahren auch die Metallausführungen für Tenor spielen können, das ist mir aber nicht mehr in Erinnerung, deshalb kann ich hier nichts darüber berichten.
Allgemeines:
Was beurteilt man eigentlich beim Testen von Mundstücken? Für mich stehen da immer zwei Dinge im Vordergrund: Handling (also z.B. Ansprache, Gleichmässigeit der Lagen, Intonation und Blattfreundlichkeit) und Sound. Das Handling wiederum hängt extrem vom Blatt und auch der Blattschraube ab, das weiss aber wohl jeder. Beim Sound ist das so eine Sache, die in erster Linie vom persönlichen Geschmack abhängt und gerade etwas Fortgeschritteneren wie mir furchtbares Kopfzerbrechen bereiten kann. Deshalb stelle ich einmal folgendes in den Raum:
Das Wichtigste an einem geeigneten Mundstück ist das Handling, also Ansprache, Gleichmässigkeit innerhalb der verschiedenen Lagen auf dem Instrument, Intonation und Blattfreundlichkeit. Sound ist zunächst einmal nebensächlich, da er von vielen Faktoren abhängt, die nicht nur mit dem Mundstück zu tun haben.
Nun zu den Vandoren-Mundstücken:
V16 für Altsax:
Ich habe etwa 10-15 verschiedene Mundstücke für Alt gespielt mit verschiedenen Bahnöffnungen und Kammergrössen. Es gibt sie mit Small- oder Mediumchamber. Mir persönlich gefallen die mit der kleinen Kammer besser, da sie eher meinem Klangideal auf dem Alt entsprechen. Was bei allen Vandoren Mundstücken auffällt, ist die Qualität der Verarbeitung, es gibt selten "Ausreisser", also Mundstücke, die schwer losgehen und wo man schon optisch sehen kann, dass da irgendetwas nicht stimmt. Gerade das Handling ist hier prima, also gute Ansprache, Intonation und Blattfreundlichkeit.
Mir gefällt auch der Sound sehr gut. Ich habe lange ein Meyer Mundstück auf dem Alt gespielt; jetzt spiele ich ein V16 8S, welches wesentlich mehr Volumen hat und für mich auch klanglich flexibler ist. Nun bin ich kein "hauptamtlicher Altist", spiele jedoch recht viel Alt und da kommt mir das Vandoren sehr entgegen, da es auch schon mal "verzeiht", dass ich eher Tenorist bin und nicht jeden Tag Altsaxophon übe.
V16 für Tenorsax:
...ein heikler Punkt: Ich oute mich hier mal: Ich habe während der letzten 10 Jahre sicherlich hunderte von Tenorsax-Mundstücken gespielt und bestimmt alle paar Wochen wieder auf ein anderes Modell gewechselt, immer auf der Suche nach dem Quäntchen Mehr an Sound in Richtung Idealklang. Natürlich weiss ich längst, dass das alles Quatsch ist! Hat man einmal ein gewisses klangliches Niveau erreicht, spielt das Equipment nur noch eine untergeordnete Rolle...alles andere ist lupenreines Suchtverhalten. Die Unterschiede zwischen den verschiedenen Mundstücken sind nur noch zu hören, wenn man direkt vergleicht und da spielt der individuelle Geschmack die größte Rolle. Von daher bin ich ganz froh, mich an eine bestimmte Firma gebunden zu haben, denn ich möchte die Produkte, die ich endorse, auch spielen.
Nun aber zu V16: Ich betone noch einmal, dass ich hier nicht als Endorser spreche!!! Trotzdem; schon bevor ich Endorser geworden bin, habe ich die V16 Mundstücke ausgiebig getestet und auch längere Zeit gespielt, zu hören z.B. auf der CD: Toshiko Akiyoshi and the SWR Big Band: Let Freedom Swing (Hörbsp: "Repose"). Fast alle dieser Mundstücke fand ich in Bezug auf das Handling grossartig, lediglich mit dem Sound hatt ich so meine Probleme....der war mir manchmal etwas zu scharf. es fehlte vermeintlich etwas an Charakter, was mein altes Kautschuk-Link doch schon eher hatte. Und doch besitzt auch das V16 einen bestimmten Charakter, eben einen anderen. Um es zu bezeichnen:
Das V16 ist soundmäßig für mich eine recht gelungene Mischung aus einem Kautschuk-Link und einem Selmer Soloist, irgendwie dazwischen...mit etwas mehr Brillanz.
In der letzten Zeit bin ich wieder zu Vandoren zurückgekehrt und spielte für einige Monate ein T11, eine Öffnung, die recht extrem ist (10 Stern), mir aber recht viel Flexibilität erlaubt. Trotzdem ist es so offen, dass es sehr viel Kraft erfordert und deshalb auf Dauer nicht optimal für mich ist. Ich werde aber bei Vandoren bleiben, das Handling dieser Mundstücke ist hervorragend und auch mit dem Sound freunde ich mich immer mehr an.
Jetzt aber noch ein Tip, denn meine eigene Geschichte ist sicher nicht sooo furchtbar interessant: Ich kann gerade Saxophonisten, die fortgeschrittener sind (also z.B. das Anfängermundstück hinter sich lassen möchten) und damit beginnen, ihren Sound zu entwickeln, empfehlen, die Vandoren V16 Mundstücke einmal zu probieren. Gerade in der Entwicklungsphase braucht man ein Werkzeug, das zunächst einmal problemlos funktioniert und da gibt es meiner Meinung nach nicht viele Alternativen.
Und das Wichtigste: Der Sound ist im Kopf, nicht im Mundstück und auch nicht im Instrument
Frohes Schaffen, Jörg Kaufmann