Wir haben in letzter Zeit viel diskutiert über die Akustik des Saxophones. Dabei sind viele Leser auf der Strecke geblieben, da sie die Diskussionen nicht mehr nachvollziehen konnten oder wollten. Das ist normal, zumal die Diskussionen unendlich scheinen, zu keinem Ende kommen und mitunter emotional geführt werden. Ich finde das gut und führe das gerne weiter, will aber nun in einem neuen Thread auch neuen Lesern und Schreibern die Möglichkeit geben, wieder in das Thema einzusteigen. Es ist nämlich ein Spannendes:
Das System eines Holzblasinstrumentes ist eine recht komplexe Sache und ich will hier versuchen, die grundlegenden akustischen Eigenschaften der Instrumente anhand einer einfachen Analogie zu skizzieren.
Dazu geh ich nach draußen, wo meine Tochter auf der Schaukel sitzt. Ich binde über ihr, einen halben Meter unter der Aufhängung der Schaukel ein Gummi (diese mit den zwei Ösen von 'ner Gummispinne) an, daran noch ein Seil und versuche nun, mittels dieser 'Fernbedienung', die Schaukel anzutreiben.
Das schaffe ich nur, wenn ich mit einer bestimmten Frequenz an dem Seil ziehe. Ziehe ich in zu kurzen oder zu langen Abständen, dann schaukelt sich die Schaukel nicht auf und die Tochter hat keine Freude.
Wenn ich mich irgend wie (das wird zu untersuchen sein) auf die Eigenschwingung der Schaukel eingestellt habe, klappt die Sache sehr gut und wenn ich der Schaukel gerade so viel Energie gebe, wie diese durch Reibung verliert, dann schwingt sie mit gleichbleibender Amplitude aus. Das ergibt einen befriedigenden Schaukelspass.
Ich stelle dabei fest, dass die Richtung meiner Zugbewegung mit der Richtung der Schaukelbewegung überein stimmt. Die Schwingungen sind phasengleich.
Was ist nun was?
Die Schaukel ist unser Saxophonkorpus. In ihrer Eigenschaft als Pendel schwingt sie mit immer gleichbleibender Periode, egal, wie weit sie ausschwingt. Das nennt man beim Instrument Resonanz. Ein Korpus mit bestimmter Länge schwingt immer in der gleichen Grundfrequenz.
Anhand der Schaukel können wir die Begriffe der Akustik nachvollziehen:
Frequenz - die Dauer einer ganzen Schwingung, hin und her
Schallschnelle - die Geschwindigkeit, mit der die Schaukel durch die Luft fliegt
Lautstärke - je weiter und schneller die Schaukel schwingt, desto 'lauter' wird sie. Ihre Schwingung wird dabei aber nicht schneller!
Schallauslenkung - die Strecke, die die Schaukel vom Ruhepunkt bis zur weitesten Ablenkung zurück legt
Schalldruck - die Kraft, die die Schaukel beim Schwingen besitzt. Da oben, wo ich mein Gummi angebunden habe, hat sie mehr Kraft als unten bei der Sitzfläche. Die Kraft spürt man, wenn man die Schaukel anhalten will.
Zum Gummiband:
Ich habe ein Gummi eingebaut, um meine Zugbewegungen an die Schaukelbewegungen anzupassen. Ich hätte auch eine Stange anbringen können, nur ließe diese nicht zu, dass die Schaukel in ihrer eigenen Art frei Schwingen könnte, sie würde bei kleinsten Unregelmäßigkeiten meiner Bewegungen irritiert werden. Das Gummi vermittelt also und koppelt zwei Systeme, ohne sie starr zu verbinden.
Genau, das ist das Mundstück oder besser, die Kammer!
Meine Armbewegungen entsprechen dem Hin und Her des Blattes. Dieses ist wiederum ein kleines Pendel mit einer Eigenfrequenz. Ich kann diese Eigenfrequenz variieren, indem ich mittels Lippendruck die Länge des frei schwingenden Teiles verändere. Das brauche ich, weil ich mittels der Klappen am Instrument meine 'Schaukel' verlängern und verkürzen kann, d.h. ihre Resonanz verändern kann.
So haben wir, ganz grob, drei verschiedene, aber gekoppelte Einheiten. Es kommt genau genommen noch eine Vierte hinzu, nämlich mein Mund- und Rachenraum. Analog zur Schaukel wäre das ein zweites Seil, verbunden mit einer weiteren Schaukel.
Um die Sache zu vereinfachen, schlage ich allerdings vor, diesen Teil erst einmal zu vernachlässigen.
Vielleicht hilft dieses Bild ja, uns den einzelnen Teilen des Saxophons zu nähern, sie besser zu verstehen.
PS.: Ich habe mein Seil oben an der Schaukel angebracht. Natürlich könnte ich die Schaukel auch unten bedienen. Ich habe es gemacht, weil wir beim Saxophon die Resonanz genau dort erzeugen, an einem Punkt, wo die Schaukel wenig ausschlägt (Schallschnelleknoten) aber sehr viel Kraft hat braucht (Schalldruckbauch).