So, wollte mich noch mal bei Marco Schoot,
smatjes und auch stockanker (für seine Absage)
bedanken und kurz erzählen, wie das Bill Evans-
Konzert war.
Punkt 21:00 erreichten wir (ich hatte meine
geliebte Ehefrau eingeladen) die Tiefgarage des
Seidenweberhauses. Das liegt direkt neben dem
Theater, an das ich etwas gruselige Erinnerungen
hege, hatte ich doch dort von '82-'86 des letzten
Jahrtausends das Vergnügen, in diversen
Produktionen meine Hörner zu quälen.
Im Seidenweberhaus herrschte Endzeitstimmung: die
letzten Stände wurden eingepackt, Flightcases
blockierten die Aufzüge und ein Schalter, an dem
wir die hinterlegten Tickets bekommen wollten,
ließ sich nicht finden.
So gingen wir einfach dem Lärm nach und drangen
ohne Eintrittskarten und weiteren Fragen in den
großen Saal ein, wo die emsigen Musiker schon
eine viertel Stunde lang musizierten. Sie wollten
wohl schnell wieder weg und haben deshalb etwas
früher angefangen.
Im einzelnen musizierten:
Bill Evans - Sax
Ric Fierabracci- Bass
Joel Rosenblatt - Drums (Spyrogyra) Drums
Christian Howes - Fiddle
Ryan Cavanaugh - Banjo, Guitar
Geboten wurde Funkjazz mit Anleihen an Country
und Bluegrass, ganz im Sinne der Besetzung. Toll,
wie sich die einzelnen Genres verwoben und
gegenseitig herausforderten. Toll, so gute und
virtuose Musiker in einer Band zu hören. Ich habe
noch nie einen Geiger wie Christian Howes gehört.
Schnell, variabel und mit Hilfe seiner Effektgeräte
schön dreckig und frech dahingeschmiert
('Slippery' hieß sein eigenes Stück - leider mit
seinem schwächsten Solo). Genauso variantenreich
Ryan Cavanaugh als pickender Gitarrist auf 4 und
einer halben Seite. Ergänzt durch den lockeren
Joel Rosenblatt am Schlagzeug und den funkig
slappenden Bassisten Ric Fierabracci eine lockere
Band, die Spass am Musizieren hat.
In einem Höllentempo flohen da die 5 durch Zeit
und Klang, oft zweistimmig in verschiedenen
Kombinationen Fiddle/Sax oder Sax/Banjo-Guitar
(tatsächlich ein Zwitterinstrument aus einem
Banjo in einer E-Gitarre). Nach dem Ritt durchs
Thema die obligatorischen Soli, oft als 'call and
response', damit auch klar wird, wer es noch
schneller kann. Bill Evans muss dann auch klar
als Sieger genannt werden, dominierte er mit
Sopran und Tenor als Bandleader doch sehr das
Geschehen.
Das Problem des Konzertes war dessen Struktur. Es
wird nicht umso musikalischer, desto schneller
man spielt. Und absolut jedes Stück hatte dieses
nervöse up-Tempo. Das ist Musik für das
Guinessbuch der Rekorde und die Reaktionen nach
dem für uns nur einstündigen Konzert waren dann
vielleicht auch deshalb so beschämend. Keine
Zugabe, ein laues Geklatsche und obwohl ich, wie
man hier liest, nicht nur angetan war, war ich
der letzte Klatscher des Abends.
Hätten die fünf innerhalb der Stunde drei
Balladen, zwei Songs und ab und zu so ein time-
killer-Stück gebracht, dann hätte der Saal
gekocht. Völlig falsche Architektur und eine
fehlende Sensibilität gegenüber Abwechslung und
generellem Aufbau des Konzertes haben eine
ungbefriedigende Aufführung für Musiker und
Publikum ergeben.
So schade, weltweit einzigartige Musiker in einer
Situation zu sehen, in der sie sich selbst
verheizen. Es geht nicht darum, dass das Feuer
immer groß und gleißend ist (alles druff, was wir
haben), es geht eher um die Geschichten drum
herum, mal ein Aufflackern, ein Glimmen, feine
Flämmchen und dann mal wieder etwas Reisig drauf.
Es ist Unfug, möglichst viele Töne zu spielen.
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<em>editiert von: ppue, 02.11.2006, 11:41 Uhr</em><!-- end editby -->