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THEMA: Charlie Parker

Charlie Parker 25 Jan 2013 18:55 #111583

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Danke für diesen Thread!!!

Es gibt ja mehrere Errungenschaften, die Charlie Parker in besonderem in den Jazz eingeführt hat:

- er hat quasi den "Puls" der Musik "verdoppelt": Seit Bird spielen die Solisten mindestens in einem grundsätzlichen 1/8-puls (Louis Armstrong machte den TwoBeat-Jazz zum "walking vier ViertelJazz"), bis John Coltrane das Tempo des Jazzsolisten auf einen 1/16-Puls verdoppelte.
- durch die Einführung von zusätzlichen Akkorden und erweiterten Akkorden hat er die harmonische Sprache des Jazz enorm erweitert (der Pianist Art Tatum war da u. a. eine Inspiration für Ihn, aber auch Stravinsky etc.)
- Verwendung von Polyrhythmik in seinen Improvisationen
- und irgendwie hat er es geschafft, dabei trotzdem seine Roots im Blues zu bewahren und durchscheinen zu lassen.

All das hat er quasi im Alleingang auf seinem Instrument realisiert, ohne dass es dafür ein direktes Vorbild gegeben hat, der dies alles vor ihm unter einem "Hut" gebracht hätte.
Bird hatte so einen Einfluss selbst auf die R´n´B-Saxer der 40er- 60er Jahre
(Illinois Jaquet, Sam Taylor, Sil Austin, Red Prysock, Plas Johnson etc.), ganz zu schweigen von all den Jazzsaxern im engeren Sinne.

LG David

www.davidmilzow.de
www.jazzagentur-hannover.de
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Charlie Parker 25 Jan 2013 19:58 #111586

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Hi,

alles vollkommen richtig. Und sehr schön, dass jemand erwähnt, was Parker für ein genialer Blues-Improvisator war. Dizzy Gillespie empfand es für sich als "deprimierend", wie gut Parker Blues spielen konnte.
Dabei sollte man Gillespie aber nicht vergessen. Als Parker nach New York kam, war die ganze Sache schon eine Zeit lang am Laufen. Die Monks und Gillespies, Clarkes und (in Grenzen auch Don Byas und Budd Johnson) waren schon kräftig dabei, den Bop zu erfinden.
Nur als Randbemerkung, weil Gillespie gerne vergessen wird. Kann damit zu tun haben, dass er keine tragische Figur war, eher im Gegenteil.
next time you see me...
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Charlie Parker 26 Jan 2013 04:41 #111592

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die biografie aus dem oreos verlag und die monografie über jatz von ekkehard jost sind auch recht erhellend.

vermutlich sind die abgeschmackten klischees und historischen fehler in clint eastwoods film bird auch weniger gravierend als im neuen spielberg film über abe lincoln ...

aber einen saxophonierenden präsidenten gabs ja schon.

:laugh:
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Charlie Parker 26 Jan 2013 19:45 #111618

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Hat jemand eine Meinung zu verschiedenen Parker Biografien?
Hat jemand einen Tip, welche ich in 3 Wochen mit in den Urlaub nehmen kann, damit ich die saxfreie Zeit sinnvoll nutzen kann?

LG FoPh
To be a succesful musician, you must first become a successful human being. For Eddie Harris
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Charlie Parker 27 Jan 2013 22:15 #111639

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pue schrieb:
Aber es war weitaus mehr: es war der Protest gegen die Einverleibung des Jazz durch die 'weiße' Plattenindustrie und Protest gegen den immer noch nicht überwundenen Rassismus in den USA.
Und heute verleiben wir Weißen uns diese Musik wieder ein. So schließt sich wohl der Kreis.
Da ich in einem "nicht-weißen" Land lebe, fällt mir das gerade so auf. Hier hört niemand Jazz. Wenn ich das höre, empfinden die Leute hier das als "weiße" Musik. Hier wollen die Leute andere Sachen hören, Jazz sagt ihnen nichts. Vielleicht auch eine Folge allzu komplizierter Harmonien und Rhythmen. So interessant das für Musiker ist, für das Publikum ist es das nicht.
Das ist keine Wertung, nur eine Feststellung. In vielen anderen Kunstformen ist es ähnlich. Malerei, Bildhauerei, Schriftstellerei - immer klaffen die Vorstellungen der Künstler und des Publikums weit auseinander.
Künstlerisches Talent geht meist nicht mit Spießbürgerlichkeit oder Bildungsbürgertum einher. Und auch nicht mit "Easy Listening".
Talent ist eine Gabe und ein Fluch - und finanziell meistens ein Desaster. Da fragt man sich, ob man sich wirklich wünschen sollte, talentiert zu sein. Bewundern tun das meistens nur die, die es nicht sind. Weil sie nicht wissen, was für ein furchtbares Leben damit verbunden ist.
Das Schicksal hatte auch Charlie Parker. Er hat Dinge vorangebracht, hat Wege geebnet, anderen Künstlern Anstöße gegeben und zu ihrer und der Weiterentwicklung des Jazz beigetragen - aber die Früchte dafür ernten konnte er nicht. Er starb als junger Mann, ohne überhaupt zu wissen, was Leben ist.
Vielleicht muss es so sein. Aber es macht mich wahnsinnig wütend. Möglicherweise ist das auch der Grund, warum ich Charlie Parker schlecht anhören kann. All diese negativen Dinge, die in seiner Musik mitschwingen, die Depressionen, die Verzweiflung, die Hilfeschreie, das ständige Schwanken am Abgrund kurz vor dem Untergang, das selbst durch im ersten Moment fröhlich erscheinende Melodiefolgen durchscheint - Charlie Parker hat mit seiner Musik ein Monument seiner Verzweiflung und seiner Hilflosigkeit dem Leben gegenüber hinterlassen.
Ich denke, niemand, der nur die Harmonien analysiert, kann das verstehen. Jede einzelne Note ist Gefühl, nicht Theorie. Das Gefühl der Leere, das mit vielen Tönen und Harmonien gefüllt werden muss, damit man sich einen weiteren Tag vor dem Selbstmord (in Charlie Parkers Fall: auf Raten, durch die Drogen) bewahren kann.
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Charlie Parker 27 Jan 2013 22:28 #111640

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Saxoryx schrieb:
Da ich in einem "nicht-weißen" Land lebe...

Verrätst Du uns, in wechem?
LG HaJo

"Ist das Kunst, oder kann das weg?"
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Charlie Parker 27 Jan 2013 23:09 #111641

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Ich trage hier ein paar kurze Berichte über Parkers Jugend zusammen.

Aus Joachim Ernst Behrend, Das Jazzbuch, aus dem Kapitel Charlie Parker und Dizzy Gillespie:

Beide wuchsen in der Welt der Rassendiskriminierung auf und lernten von früher Jugend an alles kennen, was an Erniedrigungen dazugehört. Niemand kümmerte sich um den heranwachsenden Charlie. Während seiner gesamten Jugend fehlten Liebe und Nestwärme.
Niemand in Charlie Parkers Familie war musikalisch. - Mit dreizehn Jahren blies Parker Baritonsaxophon. Ein Jahr später kam das Altsaxophon dazu.

Es ist noch heute unerfindlich, warum Parker Musiker geworden ist. Der Altsaxophonist Gigi Gryce - einer seiner besten Freunde - sagt: "Parker ist ein natürliches Genie. Wenn er Klempner geworden wäre, glaube ich, hätte er ebenfalls Bedeutendes geleistet."

Mit fünfzehn Jahren war Parker gezwungen, sich selbst zu ernähren. "Wir hatten", erzählt er, "von neun abends bis fünf Uhr morgens ohne Unterbrechung zu spielen. Gewöhnlich bekamen wir 1$ 25 pro Nacht"

1937 - 17jährig - wurde Parker Mitglied des Orchesters Jay McShann, eines typischen Kansas City- Riff und Blues-Orchesters.



Etwas anders stellt sich die Jugend bei Wikipedia dar:

Charlie „Bird“ Parker wurde am 29. August 1920 in Kansas City geboren. Der Vater war Service-Steward beim Santa Fe Express. Die Mutter machte noch als Sechzigjährige eine Ausbildung zur Krankenschwester. Charlie Parker hatte einen älteren Bruder, der als Postangestellter beim Kansas City Post-Office arbeitete. Parker begann erst nach dem Besuch der Lincoln High School, Altsaxophon zu spielen. Zwar hatte seine Mutter es ihm 1933 vorher geschenkt, doch Parker interessierte sich zunächst nicht dafür und verlieh das Saxophon zwei Jahre lang an einen Freund. Stattdessen spielte er Tenorhorn in der Brass Band der Highschool. So fragte ihn John Maher in einem Interview, bei dem auch Marshall Stearns anwesend war: „Haben Sie in der Marschkapelle Ihrer Oberschule … Tenorhorn gespielt?“ Darauf Parker: „Tut tuut … Sie hatten etwas, das sich Symphonisches Blasorchester nannte … Tenorhorn, ja richtig … Nein, nicht ganz so groß wie eine Tuba. Es besitzt drei Ventile. Zwischen einer Tuba und einem Althorn, ziemlich groß. Sie müssen es auf diese Art halten, Sie wissen schon, auf diese Art.“ – (Gelächter). Parker begann sich erst mit etwa 17 Jahren für das Altsaxophon zu interessieren. Parker spielte schon bald professionell mit diversen Bands, unter anderem mit George E. Lee and his Novelty Singing Orchestra, der Territory Band von Tommy Douglas oder mit den Deans Of Swing. Bassist Gene Ramey wurde einer seiner Freunde, mit dem er später auch in der Band von Pianist Jay McShann spielte. Parker hörte zu dieser Zeit einige der damals bekanntesten Saxophonisten, darunter Herschel Evans, Coleman Hawkins sowie den Tenorsaxophonisten Lester Young.

Russells Biografie zufolge hatte Parker auf einer Jam-Session mit Mitgliedern der Count-Basie-Bigband ein Schlüsselerlebnis: Er spielte damals so schlecht, dass Schlagzeuger Jo Jones vor Wut sein Schlagzeug-Becken auf den Fußboden warf. Danach ließ sich Parker während eines Engagements am Lake Taneycomo vom Gitarristen seiner Combo in Harmonielehre unterrichten. Augenzeugen zufolge war er danach wie verwandelt: Von einem wenig kompetenten Saxophonisten mit miserablem Ton hatte er sich in einen fähigen und ausdrucksstarken Musiker entwickelt, der es nun sogar mit weit erfahreneren Saxophonisten aufnehmen konnte.


Im englischen Wiki hatte er ein Leihinstrument und durchaus einen musikalischen Vater:

Charlie Parker was born in Kansas City, Kansas, and raised in Kansas City, Missouri, the only child of Charles and Addie Parker. Parker attended Lincoln High School.[6] He enrolled in September 1934 and withdrew in December 1935, just before joining the local Musicians Union.

Parker began playing the saxophone at age 11, and at age 14 joined his school's band using a rented school instrument. His father, Charles, was often absent but provided some musical influence; he was a pianist, dancer and singer on the T.O.B.A. circuit. He later became a Pullman waiter or chef on the railways. Parker's mother Addie worked nights at the local Western Union office. His biggest influence at that time was a young trombone player who taught him the basics of improvisation.


Aus www.dieterwunderlich.de/Charlie_Parker.htm:

Charles ("Charlie") Christopher Parker wurde am 29. August 1920 in Kansas City geboren. Als er elf Jahre alt war, verließ sein Vater Charles Parker ihn und seine Mutter Addie, die sich daraufhin als Putzfrau durchschlug. Schon mit dreizehn spielte Charlie in einer High School Band mit, und bald darauf begann er, als Saxophonist in Jazzclubs der Region aufzutreten, statt in die Schule zu gehen. Bücher von Dieter Wunderlich Mit der Band des Jazzpianisten Jay McShannin kam er 1939 im Rahmen einer Tournee erstmals nach New York.

Aus www.cmgww.com/music/parker/about/biography.html

The only child of Charles and Addie Parker, Charlie Parker was one of the most important and influential saxophonists and jazz players of the 1940’s.

When Parker was still a child, his family moved to Kansas City, Missouri, where jazz, blues and gospel music were flourishing. His first contact with music came from school, where he played baritone horn with the school’s band. When he was 15, he showed a great interest in music and a love for the alto saxophone. Soon, Parker was playing with local bands until 1935, when he left school to pursue a music career.

From 1935 to 1939, Parker worked in Kansas City with several local jazz and blues bands from which he developed his art. In 1939, Parker visited New York for the first time, and he stayed for nearly a year working as a professional musician and often participating in jam sessions. The New York atmosphere greatly influenced Parker's musical style.

In 1938, Parker joined the band of pianist Jay McShann, with whom he toured around Southwest Chicago and New York.



Das Baritonsaxophon war wohl eher ein Bariton-, Tenor- oder Althorn und viele andere Aspekte bleiben unklar. Die genaueste Biographie im Netz findet man wohl hier:

www.birdlives.co.uk/
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Charlie Parker 28 Jan 2013 12:04 #111653

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saxlover schrieb:
Saxoryx schrieb:
Da ich in einem "nicht-weißen" Land lebe...

Verrätst Du uns, in wechem?

Vermutlich dort, wo Oryx Antilopen leben ;)

Danke pue, für die Erwähnung der Widersprüchlichkeiten in den div. Bios, finde ich sehr interessant.

Parker war bestimmt kein Heiliger (hat m.W. ja z.B. auch selbstsüchtig seine erste Frau zurückgelassen um in NY Karriere zu machen). Und auch Dizzy hat später im Interview die Neuerungen Parkers relativert, trotzdem gab es viele Ohrenzeugen, die noch später Gänsehaut bekamen, als sie dem Interviewer erzählten, was für eine Magie sich entwickelte, sobald Parker zu spielen begann. Und vielleicht hätte er noch die Kurve gekriegt, wenn nicht seine Tochter so tragisch gestorben wäre, wovon er sich anscheinend psychisch nicht mehr erholte.

Parker with Strings sind vielleicht nicht die künstlerisch wertvollsten Aufnahmen (kann aber auch diskutieren, Parker selbst liebte "sein" Orchester), aber sie haben die beste Klangqualität. Und hier kann man hören, was für einen fantastischen Sound er hatte und was für eine Intonation, Timing usw. Johnny Hodges war ja toll und Benny Carter auch, aber zu Lebzeiten konnte ihm am Alto keiner das Wasser reichen (wenn er fit war).

Ich finde übrigens nicht, wie weiter oben erwähnt, dass sich Parkers Spiel depressiv, traurig oder so anhört, im Gegenteil. Als ich jünger war, hat mich seine (wie ich es empfunden hatte) manische Dur-lastigkeit genervt, ich empfinde sein Spiel als aufgedreht fröhlich, etwas "crazy", aber jubilierend und gut gelaunt. Und bei Balladen romantisch und lieblich, weitaus weniger traurig als viele Tenoristen seiner Zeit.

Ich knicke zum Gruß den 5. Finger ab ;)
Pierret Bari & Alto
Yardbird Alto
Martin C-Mel
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Charlie Parker 28 Jan 2013 13:27 #111656

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Ich konnte in Parkers Musik auch noch nie was depressives heraushören, im Gegenteil. Das sieht man wieder wie beeinflussbar der Mensch ist wenn er zu viele Hintergründe weiß und nicht nur auf die Musik hört. Aber das ist ein anderes Thema, zu dem in der Psychologie wahrscheinlich bereits mehr geschrieben wurde als über Parker. So wird das Image jedes Künstlers geprägt und die Fans bewusst beeinflusst. :)
lg Geri
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Charlie Parker 28 Jan 2013 16:19 #111659

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Lover Man von 1946. Für Charles Mingus eine der besten Parker-Aufnahmen:

Letzte Änderung: 28 Jan 2013 16:20 von pue.
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