Am Freitag war es endlich soweit.
Nach quälenden 2-1/2 Wochen bestieg ich morgens den IC Richtung Hamburg (dort) mit Umstieg Richtung Pinneberg zu ToKo.
Es versprach ein Tag mit Goldrand zu werden.
Pünktliche Züge, sehr freundliche Bahnmitarbeiter (»hier ist es aber sehr warm, sollen wir die Klimanlage ein wenig regulieren?« - und es wurde wenige Minuten !! später kühl und angenehm). Um in den vollen Genuß der Reise zu kommen, mußte man nur die zwei penetranten Mittelschichtspärchen am Vierertisch ausblenden, die bereits um 8 Uhr morgens Sekt und Wein aus Plastiksektflöten zu sich nahmen und sich (und den ganzen Wagen) geschlagene drei Stunden über die Probleme informierten, die doch der Wohlstand so mit sich bringt und wie das wiederum die Lebensqualität empfindlich beeinflußt.
Muß ich mein Äußeres überdenken? Bis Osnabrück hieß es: »sie fahren doch bestimmt zum Kirchentag?«, ab Osnabrück »waren sie beim …?«.
Im beschaulichen Pinneberg angekommen, wollte ich mir zunächst mal gründlich die Beine vertreten, ein bißchen das Städtchen kennenlernen und etwas essen. Die Photoausstellung war leider wg. einer privaten Veranstaltung nicht zugänglich und die Bücherei bzgl. Musik extrem unergiebig. Also essen, aber wo geht man in einer fremden Stadt essen? Ohne kundigen Rat habe ich mich für die Kunst der Verpackung beim schottischen Feinschmecker entschieden.
Da ich (wie ich später feststellte) vom Bahnhof aus in einem großen Kreisbogen gelaufen war, und ich den Sonnenstand nicht beachtete, bin ich, als ich mich zu ToKo begeben wollte, schnurstracks in die entgegengesetzte Richtung gelaufen. Als in der Ferne der Bahnhof auftauchte, dachte ich mir, daß es doch eine gute Idee sei, die ausgedruckte Karte einmal zu drehen - und siehe da - nach nur zwanzig Minuten stand ich vor dem Holzblasinstrumentenstudio (das Haus steht übrigens 100 m Luftlinie vom Götzentempel des schnellen Essens entfernt).
Jetzt aber lange genug gewartet und hinein. Da ToKo ein aufmerksamer Gastgeber ist, wird man zunächst mit dem sympathischen Auszubildenden bekannt gemacht, bekommt eine Führung durch die Räume (nebenbei werden farblich auf die Kleidung des Besuchers abgestimmte Haustiere präsentiert) und landet dann zum Schluß im Ausstellungsraum.
Und dann hielt ich es wieder in Händen - mein Baritonsaxophon (zu dem mir ein bekannter Düsseldorfer Klarinettenschnitzer mehr oder weniger zwischen den Zeilen mitteilte, daß ich ihn in Zukunft bitte nicht mit weiteren Reparaturaufträgen für so einem Schrott belästigen solle) - er resp. seine Werkstatt hatte die Reparatur nicht hinbekommen, der Zustand war schlechter als vorher. Jetzt weiß ich (ich wußte es natürlich vorher schon, denn sonst hätte ich den ganzen Aufwand mit Verpacken, schicken und persönlich abholen nicht getrieben), daß der Mann zwar einsichtsfähig ist (ich mußte die »Reparatur« nicht bezahlen), aber von Saxophonen anscheinend nichts versteht.
Ich war mit dem Saxophon bisher viermal in einer Werkstatt (2 x Düsseldorf, 1 x Wuppertal, 1 x Hattingen) und jedes Mal mußte beim Abholen noch etliches nachreguliert werden.
Bei ToKo nahm ich mein Sax in die Hand und es stimmte alles - nicht die kleinste Regulierung notwendig - die Probleme die in den anderen Werkstätten nicht behoben wurden (»bauartbedingt - ist halt Taiwan«), verschwunden. Jetzt eine perfekt laufende Oktavmechanik, absolut gleichmäßiger Klappengang - nichts rappelt mehr nicht klappert mehr.
Und - es war sauber. Bisher habe ich mein Saxophon immer in einem Zustand aus der Werkstatt geholt, daß es für die Auszubildenden bei der Spurensicherung für jahrelange Arbeit gesorgt hätte.
Was ich allerdings gemerkt habe, daß die 2-1/2 Wochen (und die 3 zahnarztbedingt übelöchrigen Wochen davor) ohne Saxophon dem Ansatz nicht gut getan haben. Da werde ich jetzt in den nächsten Wochen wieder Gas geben müssen.
ToKo ist halt gesegnet. Und zu allem Glück hat er noch Kundinnen, da hätte ich mich, wenn ich zwanzig Jahre jünger wäre, glatt vor die Türschwelle gelegt, damit sie aber auch ja über mich stolpert.
Da Smatjes und seine Frau nur einen Blitzbesuch bei ToKo machten und er wie gesagt, schwer mit gutaussehenden Musikerinnen beschäftigt war, habe ich mich wieder Richtung Bahnhof aufgemacht und war schnell wieder in Hamburg. Die vier Stunden Aufenthalt ließen sich gut nutzen, da im Hamburger Bahnhof noch eine Gepäckaufnahme mit richtigen Menschen hinter der Theke existiert, die meine schwarze Schönheit sicher verstauen konnten.
Wie das so ist mit der Ortsunkenntnis. Ich bin dann zielsicher am falschen Ende aus dem Bahnhof marschiert und habe mich schon ein wenig über das Hamburger »Entree« gewundert und dann nach ca. 2 Kilometern merkwürdiger Geschäfte und Kinos eine Passantin gefragt, wo ich denn als »Vierstundentourist« besser aufgehoben wäre. Nachdem sie sich einen gegrinst hatte und mich über die richtige Richtung aufgeklärt hatte, schickte sie mich zunächst direkt zur Alster »die müssen sie aber heute noch gesehen haben«. Dieser Tipp führte mich zu einem Bootsverleih mit Cafe auf dem Anleger. Ich verbrachte dann eine wunderbar sonnige, windige, segelknatternde Stunde bei einer Tasse Kaffee und Kuchen im Paradies.
Die letzten Stunden vor der Abfahrt flanierte ich dann doch noch in einer Fußgängerzone und stieß dann noch auf einen
Musiker, der bewies, das man mit allen Mitteln Musik machen kann. Mächtiger Klang.
Die Rückfahrt wieder 1a. Ausnahmslos freundliche Mitarbeiter, keine Mittelschichtpärchen in Sicht - super.
Fazit:
1. Ein wurde ein Tag mit Goldrand (wobei ein Kompaß manchmal nützlich sein kann),
2. schickt Eure Saxophone zu ToKo.
Beste Grüße aus MH (mit weher Unterlippe)
Klaus