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THEMA: Über Harmonie, Akkorde und Melodien

Über Harmonie, Akkorde und Melodien 31 Mär 2009 12:03 #72754

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So-wenn ich schon mal eingeloggt bin; ich habe einen, witzigen, umständlichen aber interessanten Weg zur Pentatonik gefunden, der gleichzeitig das Gebiet der Tritonustonart betrifft: Wenn ich in einer Tonart bin(bin ich ich ja irgendwie immer)bediene ich mich bein Improv. aus zwei Pools
1.der diatonische zB. cdefgahc
2. die restlichen 5 Töne fis gis ais cis dis.
(Ich bin jetzt mal der einfachheit halber in Cdur.)
und der zweite Pool, das ist die Pentatonik der Tritonustonart.Ist doch interessant?!
Ist quasi eine Tritonussubstitution der besonderen Art:-)
Letzte Änderung: 31 Mär 2009 12:07 von corcovado.
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Über Harmonie, Akkorde und Melodien 31 Mär 2009 17:24 #72774

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Letzte Änderung: 31 Mär 2009 17:25 von Weso.
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Über Harmonie, Akkorde und Melodien 31 Mär 2009 18:40 #72778

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@taurenis

Die Pentatonik ist nicht konstruiert worden, also erschaffen und die Musiktheorie ist keine Musikgeschichte. Ich erkläre also nicht, wie etwas entstanden ist, sondern schau, was ich vorfinde und versuche zu erklären, was das Besondere an dem ist, was ich vorfinde.

Ob du die Verwandtschaft der Töne der Pentatonik aus der Terzverwandtschaft ableitest, Sexten oder Quinten nimmst, ist ganz egal, da nur das mathematische Schwingungsverhältnis zählt.

Ich konstruier die pentatonische Reihe mal anders:

Nehmen wir an, wir hätten einen Grundton mit 16 Schwingungen, dann hätte die Quinte 24, ein Ganzton (8:9) über dem Grundton wären also 18 Schwingungen. Eine Quinte über dem 2. Ton mit 18 Schwingungen hätte 27. Fehlt uns noch die große Terz im Verhältnis 4:5 macht 20 Schwingungen. Alle da:

16:18:20:24:27

Ich habe das ganze nun innerhalb der Oktave konstruiert. Zu beachten ist, dass ich eine andere Terz bekomme als mit meinen Quinten. Bei der Quintenstapelei hätte ich nämlich 20,25 Schwingungen erhalten. In beiden Fällen höre ich aber eine große Terz. Diese große große Terz kann ich aber auch durch einen großen Ganzton aus dem 2. Ton (18:8*9=20,25) konstruieren.

Die Zahlenreihe weist fast alle Verhältnisse der Teiltonreihe auf:

2:3 (16:24 und 18:27)
3:4 (18:24)
4:5 (16:20)
5:6 (20:24)

8:9 (16:18)
9:10 (18:20)

Der schiefe 7. Teilton fehlt, sonst sind alle vertreten.

Das sind starke Verwandtschaften und wie immer man konstruiert, wirst du nichts Stabileres mit 5 Tönen hinbekommen. Und das, wie gesagt, ist die Erklärung eines Phänomens und nicht mit dessen Entstehung zu verwechseln.



@corcovado

Man könnte auch sagen, du benutzt einfach alle Töne, lol.

Nee, Spass beiseite, ich verstehe das mit deinen Schwimmbecken und wichtig sind diese Strukturen im Kopf. Welche Poole man für sich entdeckt und benutzt, ist zum Glück unterschiedlich und wird von der Jazzpolizei nicht allzu streng verfolgt.

Die Vorstellung, dass durch Abziehen einer Durtonleiter vom gesamten Material eine tritonüsische Pentatonik übrig bleibt ist ein schönes Bild, welches man an der Klaviertastatur gut sieht.



@weso
Letzte Änderung: 31 Mär 2009 18:47 von pue.
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Über Harmonie, Akkorde und Melodien 31 Mär 2009 19:33 #72780

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Danke Pue, jetzt sind wir uns einig und ich hab's verstanden. Nun muss ich am Gerät probieren, was man damit machen kann.

Auf zu neuen Abenteuern!

Johannes
Das Beste kommt noch.
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Über Harmonie, Akkorde und Melodien 03 Apr 2009 08:36 #72930

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So, die Hausaufgaben werden nicht mehr gemacht. *streng guck*, tz tz. Mckoi, wo bist du!!
Na gut, dann lassen wir das erst einmal mit den Improvisationsleitern und fahren mit der Analyse fort.


Werkanalyse 'My Funny Valentine' II

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Den ersten A-Teil von 'my Funy Valentine hatten wir besprochen, nun geht es um den zweiten A-Teil, den ich A' nenne, weil er zwar ähnlich, aber doch anders ist.

Die zentrale Melodie des Songs rückt nun um eine Terz nach oben. Wir verspüren eine Steigerung, wobei das harmonische Gerüst das gleiche wie im ersten A-Teil ist. Nur am Ende weicht es ab und moduliert zum folgenden, in Eb-Dur stehenden B-Teil. Häufig erklären sich Harmonien eines Stückes besser von hinten nach vorne: der Komponist hat ein Ziel, hier Eb-Dur und bereitet dieses mit der V. Stufe von Eb-Dur vor. Deshalb haben wir im 16. Takt den Bb b9-Akkord. Das Abm 6 im 15. Takt vermitelt chromatisch zwischen dem Fm7 und Bb b9. Optisch wird es schnell deutlich:

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Wie universell die b9-Akkorde sind, sieht man, wenn man die Takte 8 und 16. vergleicht. Sie bestehen, abgesehen vom Grundton, aus dem gleichen Material.

Zum B-Teil. Wir sind in Eb-Dur gelandet und spielen treppauf-treppab die ersten drei Stufen der parallelen Dur-Tonart von C-Moll. Die Stimmung wird etwas fröhlicher, die Akkorde wechseln halbtaktig und das Tempo zieht dadurch an. Die Melodie wiederholt sich 2-taktig, erhöht aber dabei jeweils einen Ton der Melodie, um in den letzten beiden Takten mit einem langgezogenem C zum bisherigen Höhepunkt zu kommen.
Die Akkorde bewegen sich größtenteils auf den Stufen von C-Moll bzw. Eb-Dur. Schauen wir mal, wo es Abweichungen gibt: Takt 21 klingt ein G7 als Zwischendominante III. Stufe Eb-Dur (V. Stufe C-Moll). Im nächsten Takt fallen aus dem Rahmen Bbm7 und A7. Warum Bb-Moll? Die Erklärung ist wiederrum einen Takt später im Abj7 zu finden. Damit können wir den Bbm7 als II. Stufe von Ab-Dur deuten. Der A7 leitet chromatisch zur Stufe I über oder kann als Tritonussubstitut anstatt der V. Stufe von Ab gelten.
Die Schlusswendung im letzten Takt (II-V) bringt uns zurück nach C-Moll. Hier endet der heutige Ausflug.

Das nächste Mal geht es um A'' und dann endlich auch um die Skalen für die Improvistion. Vielen Dank fürs Zulesen.


Hier mal kurz zwei Sätze in eigener Sache: möchte nochmal betonen, dass solche Werkanalysen versuchen zu deuten und dass sie nicht immer der Weisheit letzter Schluss sind. Wie wir gesehen haben, kann man die Akkorde aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten (hallo Corcovado) und so, wie ich sie sehe, ist es nur eine Variante.
Zum Zweiten: es sollte hier unter Anderem um die vorgestellten Slash-Akkorde gehen. Das habe ich nicht vergessen und sie werden noch auftauchen, versprochen. Im Moment haben sie sich ein wenig zurück gezogen.
Letzte Änderung: 09 Jul 2012 21:18 von pue.
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Über Harmonie, Akkorde und Melodien 07 Apr 2009 16:39 #73066

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Werkanalyse 'My Funny Valentine' III

Der letzte A''-Teil ist eigentlich schon fast ein C-Teil. Nur in den ersten vier Takten taucht das harmonische und der oberen A-Teile auf. Die Melodie wirkt wie ein Schnelldurchlauf: zwei Takte aus A, zwei Takte aus A' und und nochmal zwei Takte aus A oktaviert führen zum eigentlichen Höhepunkt des gesamten Stückes in den Takten 31 und 32. In den letzten vier Takten beruhigt sich das Geschehen. Auch hier finden wir nochmal das Leitmotiv des Ganzen.

Die harmonischen Verbindungen sind alle, wenn auch manchmal in anderer Konstellation, schon mal da gewesen und bedürfen keiner weiteren Analyse. Einzig der Schluss in Eb-Dur dürfte verblüffen, hielten wir uns doch zumindest in den A-Teilen die ganze Zeit im C-Moll-Raum auf. Ein solches 'Happy End' klingt beruhigend und versöhnlich. Für mich steht das Stück trotzdem in Moll.

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Kommen wir zu den Leitern für eine Improvisation über das Stück. Die ersten vier Takte stehen in C-Moll und welche Mollleitern wir benutzen, steht uns frei, solange wir Septimen und Sexten der Harmonien berücksichtigen. Ich notier mir für die ersten zwei Takte ein H für das harmonische C-Moll. Für die Takte 3 und 4 notier ich mir ein A. Die große Sexte macht aus dem Moll ein Dorisch. Takt 5 und 6 spiel ich natürliches Eb-Moll und für die folgende II-V-Verbindung notier ich mir eine Halbton-Ganztonleiter über G. Ich könnte hier auch harmonisch Moll drüber blasen, da ich aber die gleiche HG-Leiter auch im A'-Teil spielen kann, habe ich mich für diese entschieden.

Der B-Teil steht erst einmal in Eb-Dur und ich brauche bis in Takt 22 nichts notieren. Auf der 3 im 22. Takt spiele ich Ab-Moll II. Stufe, also 4 B-chen. Auf der vierten Zählzeit bringe ich nicht viel unter beim Spielen, notiere aber trotzdem mal eine alterierte Skala über A. Ab-Dur im 23. Takt und die schon bewährte HG-Leiter runden den B-Teil ab.

Im A''-Teil tauchen alle Elemnte noch einmal auf. Über Abj7 habe ich Eb-Dur gewählt; geht aber auch mit 4 Bb-chen. Geschmacksache.


Über die II-V-Verbindungen sind natürlich verschiedene Skalen und Licks anwendbar, hier das ist nur eine Möglichkeit.


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Soweit mein Schema. In meinem Kopf gibt es ganz klar drei Bereiche, die ich hier versucht habe, farblich nachzustellen. Wie immer muss ich, bevor ich ein solches Schema anwenden kann, den Bass im Kopf haben und am Besten auswendig spielen können. Und genau mit dem beschäftigen wir uns demnächst noch einmal kurz. Guten Abend.
Letzte Änderung: 09 Jul 2012 21:18 von pue.
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Über Harmonie, Akkorde und Melodien 10 Apr 2009 22:04 #73214

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Werkanalyse 'My Funny Valentine' IV

Ich stelle hier noch mal die gesammelten Versionen von 'My Funny Valentine' auf YouTube vor:

Chet Baker
Miles Davis
Etta James
Chaka Khan
Fay Claassen
Peter Fessler
Sting

Ich war beim Anhören erstaunt, dass nicht eine Version dabei war, wo der Bass das spielte, was ich erwartete, nämlich:

Cm I Cmj7/H I Cm7/Bb I Cm6/A I
Abj7 I ...

Das wären die zuvor besprochenen Slashakkorde gewesen. Hier spielt der Bass nicht mehr den Grundton, sondern läuft die Akkorderweiterungen vom C bis zum A chromatisch herunter und landet im 5. Takt wohlbehalten auf dem Ab.
Wie gesagt, ich hätte die ersten vier Takte doch hier und da in dieser Form erwartet. Nur bei Chat Baker tauchen die Töne neben dem Grundton auch im Bass auf.

Bei Miles Davis haben wir zum Teil komplett andere Akkorde: schon im zweiten Takt tauchen ein Ab7 und G7 auf. Im 4. Takt die IV. Stufe: F7. Auch Chaka Khan benutzen diese Harmonisierung.
Bei Fay Claassen spielt der Bassist gleich 7 Takte lang den gleichen Grundton (Achtung: sie spielen in A-Moll) und die Harmonien gleichen eher Nebelschwaden.

Im Bb-Teil begegnen uns Slash-Akkorde in der Chat-Baker-Fassung. Hier bleibt der Bass auf dem Eb liegen, obwohl die Stufen auf- und absteigen:

Ebj Fm7/Eb I Gm7/Eb Fm7/Eb I Ebj Fm7/Eb I Gm7/Eb Fm7/Eb I ...

In der Miles-Davis-Fassung geht der Bass die Stufen mit, hällt sich aber ständig am Bb fest.

Hört euch mal die einzelnen Fassungen daraufhin nochmal durch. Ist schon spannend, was da alles geht. Bei Sting ist es kein Nebel mehr, sondern eher ein kosmischer Raum, in den er die Melodie stellt.

All das sind feine Spielereien, die auf der einen Seite die Sache vereinfachen, auf der anderen aber für Reibung sorgen. Ein stückweit spielt auch die Hörgewohnheit eine Rolle. Einen Standart, den jeder kennt, kann man sehr weit abstrahieren, da der Zuhörer Fehlendes aus seinem Gedächtnis ergänzt. Das Stück steht nicht für sich selbst sondern existiert in seiner geschichtlichen Veränderung. Ohne die bekannten Vorgaben von Chat Baker und Miles Davis würden die nachfolgenden Versionen anders klingen.

Und noch etwas begünstigt die vielen Variationen: die Einfachheit des melodischen Motivs. Diese einfache Linie, die immer wieder auftaucht, beunruhigt nicht und verlangt keine besondere Aufmerksamkeit, wie es zum Beispiel ein Bebop-Thema bräuchte. Sie legt auch akkordisch wenig fest, weil sie gerade mal eine Terz Platz braucht. Und diese Terz ist natürlich mannigfaltig interpretierbar.


Soviel abschließend zu 'My Funny Valentine'. Vielen Dank fürs Kommen.


Morgen gibt es nochmal ein wenig zum Thema Blues, der hier stark vernachlässigt wurde. Das ist er ein wenig selbst Schuld, weil er sich meines Erachtens größtenteils erfolgreich vor der Akademisierung durch uns Oberlehrer drücken konnte. Chapeau.
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Über Harmonie, Akkorde und Melodien 11 Apr 2009 20:05 #73228

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Blues II

Es ist schon eine Weile her, dass wir über den Blues sprachen und es steht noch eine ganz besondere Bluenote aus. Wir hatten bis hier die kleine Terz und die kleine Septime als Bluenote kennen gelernt heute kommt die dritte und letzte dazu, die verminderte Quinte.

Es ist die 'flatted fifths', das prägende Intervall der Bebop-Aera. Dort tauchte sie im Zusammenhang mit der alterierten Dominante im b5-Akkord auf. Die verminderte Quinte teilt die Oktave in zwei gleiche Hälften und wird auch Tritonus genannt. Sie ist äußerst spannungsgeladen und es gibt kein anders Intervall, welches im Quintenzirkel weiter auseinander liegt.

Schon im frühen Blues ist die flatted fith zu hören. Hier ein nicht ganz so frühes Beispiel vom 'King of the Delta Blues', Robert Johnson, wohl in den 30er Jahren aufgenommen.

Im klassischen Blues werden die Bluenotes weniger als harmonische Funktion benutzt, sondern als Färbung in der Melodie. Dem entsprechend wird mit ihnen gemalt, sie werden gezogen und ihre Tonhöhe ist nicht exakt festgelegt. Man überlege, wie man den Gesang oben ausnotieren wollte. Mit unserem Notierungssystem sicher schlecht möglich.

Vielen Instrumenten ist es nicht gegeben, Mikrotöne zu erzeugen, d.h. Töne zu spielen, die noch zwischen den chromatischen Stufen liegen. So das Klavier, Harfe, Glockenspiel. Sie können zwar Bluenotes einsetzen, aber nicht mit ihnen 'malen', sie ziehen. Das Saxophon hat keine Möglichkeit, einen normal intonierten Ton sehr viel höher zu spielen, kann ihn aber in der Intonation sehr viel tiefer fallen lassen. Die verminderte Quinte ist also durchaus spielbar, in dem man den Quintton greift, ihn aber einen halben Ton zu tief intoniert. Man hat so die Möglichkeit, ihn zur Quinte 'hochzuziehen'. Der Gitarrist kann das nur umgekehrt tun: er greift einen halben Ton unter der Quinte (das Gleiche gilt auch kleine und große Terz) und zieht die Saite so über den Steg, dass sie sich spannt und entsprechend höher klingt.

Die Bluesphrasen, die wir instrumental spielen, sind stark vom gesungenen Blues geprägt, bilden die gesungenen Phrasen nach, sehr viel stärker als im vom Instrumentalspiel geprägten Jazz.


Bluestonleitern:

Oh Graus... ...pardon, es ist für mich ein Angang, Bluestonleitern aufzuschreiben. Im Gegensatz zum oft akademischen Jazz entzieht sich der Blues weitgehend der theoretischen Behandlung, anders gesagt, wird letztere dem Blues wohl nicht gerecht.

Deshalb sind die so genannten Bluestonleitern in der Theorie zwar gebräuchlich, ich möchte aber darauf hinweisen, dass wohl kein Bluesgitarrist oder -saxophonist je solche Leitern gebraucht hat, um den Blues zu 'erlernen' oder zu spielen.

Als behilfliche Leitern über normale Jazz-Changes (Akkordfolgen) will ich sie aber zumindest hier anführen.

Eine rudimentäre Bluesskala ist die Mollpentatonik, die man im frühen Blues als Gerüst der melodischen Komponente des Blues eindeutig heraus hört. Also wieder einmal Quintverwandtschaften. So unterschiedlich die Ausprägungen von Musik auf unserem Planeten, so unterschiedlich Peking-Oper und (Mississippi-)Delta-Blues auch sind, sie benutzen tatsächlich das gleiche Rohmaterial.

Hier eine Mollpentatonik auf C:

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Die Grundtöne der im Blues so elementar wichtigen Stufen I, IV und V sind darin vertreten und auch jeweils ihre kleinen Septimen. Ausserdem ist die Septime der IV. Stufe gleichzeitig die kleine Terz der I. Stufe. Hier nicht enthalten ist also die verminderte Quinte als Bluenote.

Nehmen wir diese mit dazu, bekommen wir das, was wohl die meisten unter 'der' Bluestonleiter verstehen:

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Um die Sekunde, große Terz und Sexte erweitert bekommen wir eine weitere Leiter, die man vielleicht erweiterte Bluestonleiter nennen könnte:

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Nochmal: ich halte es für falsch, die Leitern zum Bluesspielen zu benutzen. Das würde der Musik nicht gerecht. Beispiel: die kleine Terz steht im Blues immer im Zusammenhang mit der großen Terz, ja, sie ist quasi die große Terz, die aber so blue, so traurig ist, dass sie nicht ihre strahlende Stärke zeigt, sondern gebeugt daher kommt. Diesem Umstand wird eine reine Bluestonleiter nicht gerecht. Es geht um eine melodische Färbung, nicht eine harmonische Funktion.

Wer lernen möchte, Blues zu spielen, der muss Blues hören.

Etwas anderes ist es, wenn wir der Bluesform im Jazz begegnen. Diese ist seit dem Bebop stark erweitert, arbeitet mit II-V-I-Verbindungen und unterscheidet sich außer in der 12-taktigen Form inhaltlich kaum von anderen Jazzstandarts.
Auch findet die Art, 'blue' zu spielen, durchaus Eingang in den Jazz, so dass die Grenze zwischen Blues und Jazz nicht klar zu ziehen ist.

Vielleicht sollten wir uns mal genau mit solch einem Jazzblues beschäftigen.

Hier eine kleine Auswahl an Blusen:

Ein Beispiel für den postwar blues (Nachkriegsblues): John Lee Hooker - Hobo Blues

Ein Beispiel für den Blues im New Orleans Jazz: Riverside Blues -- King Oliver 1923

Bebop-Blues: Thelonious Monk Quartet - Straight, No Chaser - Paris, 1969

Rock 'n Roll, auch eine Form des Blues: Elvis Presley - Blue Suede Shoes

Einer meiner Lieblingsblues: Julie Driscoll (späters Tippetts, Frau von Keith Tippett) und Brian Auger - All Blues

Letzte Änderung: 09 Jul 2012 21:20 von pue.
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Über Harmonie, Akkorde und Melodien 13 Apr 2009 11:53 #73247

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Hi Pue,
ich bin jetzt erst auf deinen freddy gestoßen. Wie immer ein Leseschmaus.
Gerade der Blues interessiert mich zur Zeit sehr. Eine Frage zur Blues-Tonleiter(ich weiß, du stehst dem Begriff Tonleiter in diesem Zusammenhang skeptisch gegenüber):
Nehmen wir an, wir haben das Schema D7 / G7 / A7. Gewöhnlich wird gesagt, man kann die Blues-Scale der Tonika (hier also D7) auch auf den anderen Stufen spielen. Was passiert nun, wenn man auch die jeweilige Blues-Tonleiter auf den anderen Stufen spielt, also die G-Blues-Skala über G7 und die A-Skala über A7. Klingt das in deinen Ohren gut, bzw. wie ist das Problem vom harmonischen Standpunkt einzuschätzen?

LG

Grüße, Nilo

Do you like good music? Yeah, yeah!
Letzte Änderung: 13 Apr 2009 12:10 von Nilo.
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Über Harmonie, Akkorde und Melodien 13 Apr 2009 13:40 #73249

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Hallo Nilo, schön dich zu lesen!

Bluestypischer ist das Spiel mit den Bluenotes der Grundtonart. Erlaubt ist, was Spass macht.

Ich will trotzdem versuchen, eine harmonietheoretische Interpretation zu liefern.

Das Urgerüst eines Blues mit den drei Grundfunktionen ist:

TTTT
SSTT
DDTT

T=Tonika, S=Subdominante, D=Dominante

Eine Phrase, Idee, Frage oder ein Motiv geht im Blues meist über die ersten vier Takte und wird oft genau so über die zweiten vier Takte wiederholt. Die einzige Änderung ist also der Wechsel der Harmonien in Takt 5 und 6. Sinngemäß bedeutet das, den gleichen Sachverhalt (Melodie) vor einem neuen Hintergrund (Harmonie) zu sehen. Ich halte das für einen Effekt, der für den Blues wesentlich ist. Und ich finde den Effekt spannend.
Ein Beispiel für einen Jazzblues, der die Umdeutung durch veränderte Harmonien bei gleichbleicbender Melodie gut hörbar macht, ist 'Straight No Chaser' vom weltbesten Jazzpianisten aller Zeiten.

Die andere Möglichkeit, nach der du fragst, ist das Benutzen der Bluenotes der jeweiligen Funktion. Das Tonmaterial wird dadurch erweitert, was spannend ist. Melodie und Harmonien werden ums gleich Intervall verschoben, was auf Sub- und Dominante in der Regel eine Steigerung des Geschehens der I. Stufe bewirkt. Das parallele Verschieben von Melodie und Harmonie birgt aber auch die Gefahr, etwas einfach zu wirken. Das es aber durchaus geht zeigt ein weiteres Beispiel vom Bären: 'Blue Monk'.

Ich hab es hier an Bluesthemen fest gemacht und bewußt nicht über Improvisationen geredet. Ich dachte aber, dass gerade Themen exemplarisch zeigen, was der Unterschied zwischen beiden Möglichkeiten ausmacht.
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