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THEMA: Über Harmonie, Akkorde und Melodien

Über Harmonie, Akkorde und Melodien 02 Mai 2009 23:34 #74125

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Komponieren, Harmonisieren, Arrangieren I

Tja, Komponieren, wie geht das eigentlich?

Einfache Frage, schwere Antwort; weil das bei jedem etwas anders abläuft. Bevor man in die Versuchung kommt, ein eigenenes Stückchen zu schreiben, hat man in der Regel eine gewisse musikalische Vorbildung, Erfahrung auf einem oder mehreren Instrumenten und vor allem viel Musik gehört. Meistens hat man eine Vorliebe für einen bestimmten Stil, dessen Attribute man schon 'im Ohr' hat. Kaum einer also wird bei Null anfangen, wenn er sich hinsetzt, um eine Komposition aufzuschreiben.
Vielleicht passiert es auch beim Laufen oder Fahrrad fahren und man 'komponiert' gar nicht, sondern die Melodie fliegt einem zu.

Ich habe schon geschrieben, was eine Melodie ausmacht. In der Regel ist es eine Art Satz, eine Phrase, ein Bogen zusammenhängender Töne. Mir fällt da gerade was ein:

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Na, es wird vielleicht kein Hit und fertig ist das so auch noch nicht. Was ist das, was mir da eingefallen ist?
Eine kleine Phrase, überwiegend ansteigend, die sich am Ende ausruht. Die Töne auf den betonten Zählzeiten 1 und 3 (A, C und E) zeigen mir an, dass es sich wohl um A-Moll handelt. Ok, ich mach mal weiter:

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Unschwer zu erkennen, Rhythmus und Melodieverlauf, wenn auch um einen Ton versetzt, wiederholen sich. Nur im Abschluss führt die zweite Melodie entspannend zum Grundton des Stücks zurück. Wenn es nicht so kurz wäre, könnte ich die Komposition hier enden lassen. Will ich aber nicht und weil es mir ein wenig zu träge ist, nehm ich das letzte A wieder weg und starte durch:

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Der Rhythmus des Grundmotivs bleibt erhalten, spart sich aber die halben Noten und verdichtet sich noch im vorletzten Takt. Melodisch geht es Taktweise treppab bis zum Grund-, und in meinem kleinen Beispiel auch zum Schlusston. Tja, wie gesagt, nicht der letzte Schrei, aber vielleicht brauchbar, um daran auszuprobieren, was man mit dem Melodiechen nun anfangen kann.

Was machen also damit? Könnte eine Begleitung vertragen, gut.

Der Schlusston und fehlende Vorzeichen verdichten die Ahnung, dass das Stück in A-Moll steht. Fangen wir mal mit einer wirklich einfachen Begleitung an.

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Da unten klingt die Quinte A-E mit. Klingt ein wenig hüftsteif, das Ganze. Irgendwie mittelalterlich. Dudelsack, Minnegesang. Ich hab den Eindruck, dass es im dritten Takt woanders hin will. Auch in der zweiten Zeile könnte etwas Abwechslung nicht schaden:

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Etwas geschmeidiger. Was hab ich gemacht. Das starre A-E mit dem C in der Melodie ergab A-Moll. Im dritten Takt scheint die Melodie nach etwas anderem zu verlangen; die Töne auf den betonten Zählzeiten sind H und D. Könnte also die II. Stufe von D-Moll sein. Ich höre in mir aber die Dominante E und bediene mit E und H im Bass.

Vielleicht sollte ich es mal ganz anders probieren und schauen, dass ich erst mal einen vernünftigen Bass da drunter bekomme.

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Ich fange an mit zwei Takten A-Moll, der Bass geht schon mal auf die Quinte, sonst ist es zu langweilig. Im dritten Takt E-Dur für die Dominante und wieder A im vierten Takt. Fünfter Takt sieht aus wie Am7 oder schwingt sich das Ganze hier zum C-Dur empor? Ja, dass steigert sich fein mit der parallelen Durtonart. Den sechsten Takt sehe ich wieder als Dominante in E-Dur (E, G#, H) und spiele ein wenig mit den Akkordtönen. Der siebte Takt wechselt halbtaktig von Am auf E7, nee, ich bau da noch ganz schnell ein tiefes D ein. Subdominante auf der dreitten Zählzeit; scheint trotz des H in der Melodie zu gehen.

Nu hab ich einen Bass, der mir gefällt und bau mir da ein paar Harmonietöne drauf:

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Zugegeben, hab ich auf die Schnelle gemacht. Ist nicht wirklich schön gesetzt, aber die Harmonien, die ich jetzt höre, scheint schlüssig. Tja, bräuchte man vielleicht einen Arrangeur.

Ich lass es erst mal so stehen.

Nicht eure Musik? Macht nix, kommt noch schlimmer. Ich habe hier eine einfache Melodie gewählt, kein Jazz, kein Pop, nee eher klassisch. Und so geht es in der nächsten Lektion weiter. Bis denn, pü.
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Über Harmonie, Akkorde und Melodien 03 Mai 2009 16:25 #74131

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Komponieren, Harmonisieren, Arrangieren II

Wir bleiben bei meiner kleinen Melodie aus der letzten Lektion.

Die Begleitung einer Melodie mittels Klavier, Gitarre oder einem anderen Harmonieinstrument ist die eine Sache. Eine andere Möglichkeit des Zusammenspiels bietet sich, wenn wir zwei oder mehr Melodieinstrumente haben.
Wie aber kommen wir nun an eine zweite Stimme? Eine Möglichkeit wäre die Bassstimme, die ich ja schon fertig hatte. Wäre was für ein Baritonsaxophon. Klingt aber mit zwei Altsaxophonen nicht so prickelnd, oder?

Oft hört man den Tipp, die Melodie einfach eine Terz höher in der gleiche n Tonart zu spielen.

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Hm. Ja, es klingt. Irgendwie stimmts und stimmt doch nicht so ganz.

Auch wenn es nur zwei Stimmen sind, bilden diese eine vertikale, harmonische Struktur. Die Terzen sind dafür gut geeignet, da sie auch in den Harmonien strukturgebend sind. Keine Bedenken also im ersten Takt. Im zweiten Takt klingt die Terz E-G zwar fein, widerspricht aber meinen gefühlten Harmonieverlauf. Ich will weiterhin A-Moll hören. Was hier klingt, könnte E-Moll oder C-Dur sein, hat also mit A-Moll nicht soviel am Hut. Was tun? Geben wir das Prinzip Terzparallele für einen Moment auf und probieren es mit einer Quarte E-A.

Markiert die Unterstimme also die Quinte einer Harmonie, dann rutscht die Oberstimme auf den darüberliegenden Grundton eine Quarte höher. Das gleiche passiert noch einmal im 5. Takt, der in C-Dur steht. Hier wechsel ich das H mit einem C aus.

Was aber mach ich nun im 6. Takt? Der klingt doch ganz hübsch. Wir sind auf der Dominante E und in der Melodie seht als erstes die Septime D. Kein Problem, die None darüber zu setzen. Auch die Septime D über dem H klingt gut. Wie es scheint, muss ich beim Dominantseptakkord nicht in die Quarte wechseln, die Septime ist fest in unseren Hörgewohnheiten verankert.
Was mich allerdings stört, ist, dass durch das G auf der vierten Zählzeit die Dominante in Moll erklingt. Also bemühen wir harmonisch Moll und erhöhen das G zum G#.

Das ganze klingt jetzt so:

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Was ich hier so kompliziert beschreibe, kann man mit ein wenig Übung aus der Lameng singen und spielen. Einfach eine Terz über der Grundstimme ansetzen und der Bewegung der Melodie folgen. Klingt es merkwürdig, probiert man statt einer Terz die Quarte aus. Fertig.

Bekannte Stücke für eine solche Terzbegleitung sind z.B. La Paloma, Blue Monk oder Drunten in der grünen Au.

Sie sind nicht unbedingt beliebt, diese Terzen und werden oft etwas abfällig Schusterterzen genannt. Und wenn ich mir das Beispiel oben nochmal anhöre, klingt das zwar alles fein, ist aber doch ein wenig einfach gestrickt. Verlassen wir also die Terzen und begeben uns auf die Suche nach anderen Möglichkeiten.

Muss ja nicht immer parallel laufen, eine zweite Stimme. Und auch rhythmisch könnte man die recht starre Struktur etwas aufmischen. Hier habe ich eine Unterstimme geschrieben, die vollkommen unabhängig in eigenständiger Linie die Melodie begleitet:

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Ja, das hat was. Vielleicht nicht jedermanns Geschmack. Interessant aber in jedem Fall. Schaun wir zuerst mal auf die rhythmische Gestaltung. Wo die erste Stimme behende loslegt, laßt es die zweite gemächlich angehen. Im zweiten Takt ist es umgekehrt. Sie spielen ein Spiel, regen sich gegenseitig an, warten, geben vor und ergäzen sich.
Jetzt schaut euch die Melodieverläufe an: es gibt so gut wie keine parallel geführte Stelle mehr. Fast durchgängig befinden sich die Stimmen in Gegenbewegung zueinander. (Wer findet denn die einzige Schusterdezime?)

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Das alles wäre noch keine Kunst, müsste die Begleitstimme nicht auch noch auf die harmonischen Bedingungen erfüllen.

Waren die horizontalen (Harmonie) und die vertikalen (Melodie) Elemente in unseren bisherigen Betrachtungen zwei eigenständige Bereiche, so durchdringen sie sich hier. Betrachten wir die ersten beiden Takte, so ergeben die beiden Stimmen vertikal immer einen Ausschnitt aus dem Am-Akkord. Ausnahmen sind die Durchgangstöne H und D. Sie liegen auf unbetonten Zählzeiten und verbinden die Akkordtöne zur Melodie.

Gehen wir ein noch einen Schritt weiter und fügen eine weitere Stimme hinzu. Diesmal eine Oberstimme.

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Das ergibt schon ein komplexes Gewebe. Wie Web- und Kettfäden ergeben Harmonie und Melodie eine farbige Klangfläche.

Früher häufig für den vierstimmigen Gesang mit Sopran, Alt, Tenor und Bariton geschrieben, nennt man diese Form des Komponierens Kontrapunkt (lat. punctus contra punctum ="Note gegen Note"). Davon demnächst noch ein wenig mehr.


Letzte Änderung: 03 Mai 2009 16:32 von pue.
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Über Harmonie, Akkorde und Melodien 04 Mai 2009 21:23 #74174

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Hallo pue,

tolle Anleitung zum komponieren von horizonalen Begleitstimmen, danke!
Und prima erklärt noch dazu!
In der Praxis lässt sich dies auch gut anwenden, finde ich, einfach mal zu zweit im Terzabstand losdudeln, dann ein wenig variieren, mal sehen, wo es hingeht...

Gruß Saxolina
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Über Harmonie, Akkorde und Melodien 06 Mai 2009 18:44 #74249

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pue schrieb:
Liest hier sonst niemand mehr mit?

Mitlesen tun immer noch viele. Sonst würde ich gar nicht mehr schreiben. Nur die Möglichkeit zur Interaktion wird leider wenig genutzt. Es herrscht die gewohnte Konsumentenhaltung.


.....na, ja, ich für meinen Teil habe nach Seite 5 den Faden verloren, weil das für mich alles komplett neu ist. Deswegen danke für das Inhaltsverzeichnis und dass es diesen Thread gibt und du ihn unterhältst!

Gruß
Markus
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Über Harmonie, Akkorde und Melodien 07 Mai 2009 07:36 #74262

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Nilo schrieb:
Von dem realen Herrn sieht man allerdings nur den Fuß, der virtuelle hat ein Astloch als Auge...

ja der helle Wahnsinn !
Jetzt wo ich die Kommentare zu dem Foto lese und mir das Foto nochmal genau angesehen habe, zunächst mit 2 Fragezeichen in den Augen...:silly:
Ich muß dann mal wieder feststellen: mir fehlt es doch an Kreativität !

Zu den Kommentaren hier bezügl. Konsumhaltung und mangelnder interaktion möchte ich sagen:
Hallo pue, ich finde es wirklich toll, was du hier vollbringst. Leider habe ich irgendwann den Faden verloren und werde ständig vom regelmäßigen Lesen abgehalten.
Trotzdem fände ich es schade, wenn dein Projekt hier scheitern würde. Ich bin sicher, daß es mal ein wertvoller Nachschlagepool sein wird, wenn der eigene musikalische Fortschritt soweit vorangekommen ist, daß die hier behandelten Themen für einen selbst aktuell werden. Ich denke, das geht noch einigen Boardies so.
Will sagen, kein Kommentar heißt nicht automatisch kein Interesse, sondern eher Überforderung zum aktuellen Zeitpunkt.
Ich möchte dir für deine Mühe danken.
es grüsst klafu...der Beste im Norden :-)

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klafu.hat-gar-keine-homepage.de

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Skype: klafu5
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Über Harmonie, Akkorde und Melodien 13 Mai 2009 20:28 #74412

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Kontrapunkt

Der Kontrapunkt ist eine Technik, Begleitstimmen zu einer gegebenen Melodie zu komponieren. Das Besondere dabei ist, dass diese Begleitstimmen eigenständige Melodien sind und dass die Stimmen harmonisch zusammen passen. Es liegt der Augenmerk also gleichzeitig auf der (linearen) Melodie und der (vertikalen) Harmonie.

Eigenständigkeit der Melodien bedeutet, dass es sich wirklich um Melodien handelt und nicht um formelhafte Begleittöne. So sollten Tonwiederholungen, reine Akkordbrechungen oder sich wiederholende Sequenzen vermieden werden. Eigenständigkeit heißt auch, dass sich die Stimmen rhythmisch sowie in ihren Bewegungen unterscheiden.

Die letzte Lektion fing mit "Schusterterzen" an. Als Begleitstimme hatten wir eine Oberstimme parallel zur Melodie komponiert. Hier ein ähnliches Beispiel:

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An diesem Beispiel kann man schön zeigen, wie es eben nicht gemeint ist. Ober- und Unterstimme haben den gleichen Rhythmus und sie führen darüber hinaus auch exakt die gleichen Bewegungen aus.

Ganz anders das letzte Beispiel der letzten Lektion, in dem sich drei eigenständige Melodien durch die harmonische Landschaft bewegen:

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Ich habe hier nun alle Noten eingefärbt, die den jeweiligen Akkord ergeben.

Blau= Am
Grün=E7
Hellblau=C

Die übrig gebliebenen schwarzen Noten nennt man Durchgangstöne, ohne die eine Melodie schwerlich auskommt. Die Durchgangstöne sind häufiger an den unbetonten Zählzeiten anzutreffen, doch gibt es auch hier Ausnahmen, wie z.B. der Vorhalt (c''') auf der 1 im 6. Takt. Ohne diese Töne würde das Gebilde ein recht langweiliges Gehüpfe in Terzen und Quarten ergeben.

Was hier durch die verschiedenen Farben zu sehen ist, erklärt vielleicht in etwa, wie man so etwas konstruieren kann. Die erste vorgegebene Melodie hat von sich aus schon harmonische Tendenzen. Zumindest zeichneten sie sich schnell in meinem inneren Ohr ab. Wer sich unsicher ist, welche Akkorde unter eine Melodie passen, probiert einfach auf dem Klavier aus, was am besten zur Melodie passt.

Die Begleitstimmen werden in der Regel auf einem der Töne des ersten Akkordes beginnen und sich nach den oben beschriebenen Vorgaben bewegen: eben nicht parallel oder im gleichen Rhythmus. Grundsätzlich hat man eine von drei Möglichkeiten: entweder die Begleitmelodie macht eine Gegenbewegung, sie bleibt einfach liegen oder bewegt sich dann doch parallel zur vorhandenen Melodie. Letzteres ist ja kein Verbot, sondern entspringt dem, was man als angenehm, spannend oder musikalisch erachtete.
Rhythmisch gibt es auch genau drei Möglichkeiten: man setzt die Begleitstimme schneller, gleich schnell oder langsamer an. Komponiert man in dieser Art 4-stimmig, so ist es schwerlich möglich, alle Stimmen mit unterschiedlichen Bewegungen und Rhythmen auszustatten. Hier und da wird es also Parallelitäten zwischen den Stimmen geben.

Eine weitere Vorgabe ist die, dass die Melodien im Zusammenklang harmonisch sein sollen. Was nun harmonisch ist, dass verändert sich im Laufe der Jahrhunderte und die Zusammenstellung der Akkord und Durchgangstöne erlauben uns, gefällige bis sehr spannende Kompositionen mit dieser Methode herzustellen.

Es gibt aber auch Tendenzen, die sich über Jahrhunderte halten, zum Beispiel die Meinung, dass parallel geführte Bewegungen im Quintabstand nicht besonders interessant, ja, eher hohl und kalt klingen. Aus diesem Grunde haben die Komponisten diese Bewegungen vermieden.
Die Theoretiker, die die Musik analysieren, wiederum, haben daraufhin gesagt, dass Quintparallelen im Kontrapunkt vermieden werden und die Studenten, die die Theoretiker lasen, prägten daraufhin das Wort von den "verbotenen" Quintparallelen. Ein gutes Beispiel vorauseilenden Gehorsams, wie ich meine.

Es ist alles erlaubt und es gibt keinen Gott und kein Gesetz, welches irgend eine Tonkombination verbietet. Schon Liszt sagte, dass man jeden Akkord hinter jedem Akkord spielen könne. Es kommt eben nur auf den Zusammenhang an. Quintparallelen sind in Pop und Jazz an der Tagesordnung, nur handelt es sich da nicht um Kompositionen im Sinne des Kontrapunktes.

Hier ein Beispiel, wie Quintparallelen klingen. Es fällt vielleicht gar nicht sofort auf, dass die Färbung etwas öde klingt, zumal der eine Übergang eine Quintparallele mit verminderter Quinte ist.

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Hier die Quintparallenen noch einmal aus dem Kontext genommen:

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Desgleichen vermieden werden sollen im Kontrapunkt Oktav- und Primparallelen. Auch ist es wenig spannend, wenn sich alle 4 Stimmen plötzlich auf dem gleichen Ton treffen und die Polyphonie plötzlich erstirbt.

Höhepunkt der Kompositionen im Kontrapunkt sind die genialen Fugen, wie Bach sie zum Beispiel schrieb. In der Fuge werden zusätzlich besondere Anforderungen an die Melodie gestellt. Es gibt eine Art Leitthema oder Motiv, welches in bestimmtem Muster in den verschiedenen Stimmen wiederholt aufgegriffen wird. Als Beispiel eine deistimmige Fuge aus dem Wohltemperierten Klavier von Johann Sebastian Bach: Fuge in C-Moll (BWV 847)
Die zweite einsetzende Stimme spielt das Anfangsthema eine Quinte höher. Der später einsetzende Bass eine Oktave tiefer. Hier leider nur in Midiqualität (und einem falschen Ton, lol) zu hören, sorry.

Bleibt zu erwähnen, dass es noch den doppelten Kontrapunkt gibt. Dieser erlaubt es, dass Unter- und Oberstimmen ausgetauscht werden können. Das bedeutet in der Praxis, dass parallele Quartbewegungen auch vermieden werden, da aus ihnen in der Umkehrung Quinten werden.


Nun kennt ihr einige Arten, wie eine Stimme beglitten werden kann.

Als Ausblick, was sonst noch geht, hier eine kleine Sequenz, die zeigen soll, wie weit man kompositorisch gehen kann:

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Über Harmonie, Akkorde und Melodien 14 Mai 2009 22:47 #74446

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Komponieren, Harmonisieren, Arrangieren III

So, nun haben wir einige Methoden, eine Stimme zu begleiten oder zu harmonisieren, beisammen. Mit all den melodischen und harmonischen Größen können wir spielen.

Ich will zwei Beispiele geben, was bei der so einfachen kleinen Melodie noch möglich ist. Erst einmal eine etwas erweiterte harmonische Interpretation, so zwischen Pop und Weihnachtslied angesiedelt:

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Hier zeigt sich, wie generell die Erkenntnisse des Kontrapunkt einzusetzen sind. Die aufwärtsstrebende Melodie wird von einem stetig absteigenden Bass begleitet. Klare Gegenbewegung.
Und es klingt, obwohl schon auf der drei im ersten Takt einiges los ist.

Fangen wir vorne an: es geht einfach los mit Am. Auf der drei, hm... hat was von E-Dur, unserer Dominante. Die mittleren Begleittöne verharren stoisch auf C und E; was ist das für ein Akkord? Einfachste Interpretation ist ein Am j7 9 mit G# im Bass, also Am j7 9/G#, ein Zwitter zwischen Dominante und Tonika.
Der zweite Takt verrät, dass die ganze Aufregung nur durch das H kam, die Sache beruhigt sich und klar zeichnet sich hier Am ab. Nur der Bass wandert über kleine Septime und kleine Sexte munter abwärts.

Dritter Takt: der war bisher immer in der Dominante. Hier klingen D, F und A, also Dm mit F im Bass (Dm/F). Also die Subdominante, wobei der Bass fein zur Dominante E7 leitet.
Im vierten Takt landen wir auf Am gefolgt von G-Dur als Dominante zum folgenden C-Dur im 5. Takt.

Der sechste Takt fängt dominant zu C in G-Dur an. Auf der 3 ein G#°, der stellvertretend die dominantische Funktion für den E7 übernimmt.

Siebter Takt steht in Am, welches sich vorhaltend erst auf der Vier dominant erlöst. Im Achten ist dann friedlich Schluss auf Am.


Es gibt einige Möglichkeiten, die Melodie harmonisch auszuleuchten. Ich will mich damit begnügen.


Eine Sache, die in der Harmonielehre scheinbar nichts zu suchen hat, ist die rhythmische Struktur von Musik. Andererseits hatte schon der Kontrapunkt Vorgaben in dieser Hinsicht gemacht. Versuchen wir uns also mit ein bisschen mehr rhythmischem Einsatz.
Hätte ich den Auftrag, die kleine Beispielmelodie zu arrangieren, sähe das so aus:

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Ich mag die ursprünglichen gewachsenen Musikstile, mag die Kombination von Geist, Naivität und Historie. Besonders mag ich die alten Berliner Drehorgeln in Mexico City (es gibt dort recht viele davon), bei denen man die Berliner Luft nur noch am Rhythmus erkennen kann; die Pfeifen sind bis zum Gehtnichmehr verstimmt. Nicht zufällig erinnert meine Fassung hier also an solche Musik.

Ich will die Komposition nicht auch noch besprechen, sondern nur zwei, drei Hinweise geben. Was passiert hier?
Die Begleitung wechselt zwischen zwei Formen. In den ungraden Takten, in denen die Melodie bewegter ist, begleitet sie sehr brav im Stil einer Polka. In den Takten, in denen die Melodie sich eher ausruht, sieht die Begleitung ihre Chance und treibt ihre Kapriolen. Das diese immer noch den Geist des Kontrapunkt ausstrahlen, mag an meiner klassischen Ausbildung liegen. Gegenbewegungen und rhythmische Eigenständigkeit und das Vermeiden von Parallelen der Prime, Oktave oder Quinte werden weitestgehend bedient.

Außer im letzten Takt: Neun Quintparallelen!

Ein feiner Schluss für dieses Kapitel.
Letzte Änderung: 14 Mai 2009 22:55 von pue.
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Über Harmonie, Akkorde und Melodien 15 Mai 2009 08:14 #74452

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Diese Drehorgeln, die damals so typisch für die deutsche Popkultur zu sein schienen, wurden übrigens von dem italienischen Gastarbeiter Giovanni Battista Bacigalupo hergestellt, der Ende des 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts seine Werkstatt im Ostteil der Stadt (ich glaube in der Bernauer Straße) hatte.

Grüße, Nilo

Do you like good music? Yeah, yeah!
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Über Harmonie, Akkorde und Melodien 15 Mai 2009 09:04 #74453

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Guten Morgen Nilo, ja, mit der Ausländerproblematik haben wir es in der Musik sehr oft zu tun.
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Über Harmonie, Akkorde und Melodien 15 Mai 2009 09:13 #74454

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Gerade entdeckt:

realbook.us

Nachdem man sich registriert hat, hat man Zugriff auf die Akkordtafeln der gängigsten Standarts. Und nicht nur das: wählt man ein Stück aus, so sieht man erst die Stufen des Songs. Dann kann man sich die Akkorde der Lieder in jeder beliebigen Tonart anzeigen lassen und mit einem recht simplen Java-Spieler abspielen. Musikalisch ist letzterer eine Zumutung; für Übungszwecke vielleicht ausreichend.
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