@corcovado
Er ist mir schon mal irgend wo begegnet. Gelesen habe ich ihn noch nicht.
@JEs
Ich muss das Instrument nicht beherrschen. Ich will doch mit ihm spielen.
Für die ersten Stunden reicht es , herumzuquietschen und sich ein G und A vom Lehrer abzugucken. Möchte den Doofmann sehen, der dann zu Hause nicht ein H heraus findet. Vielleicht untersucht er auch das Instrument und begreift so viel eher das Prinzip dessen, als wenn er die Töne vermittelnd über eine Liste lernt.
@saxclamus
Wie bist du so solcher m.E. passenderer Betrachtungsweise gekommen?
Ich stand glücklicher Weise immer ein wenig außerhalb des normalen Musikbetriebes und es mag sein, dass ich dadurch eine ganz gute Aussicht auf die kulturellen Entwicklungen in diesem Land hatte:
Die klassische Klarinettenausbildung musste ich abbrechen, weil ich sonst (nach Meinung meines Meisters) das Saxophonspiel hätte aufgeben müssen. Damit aber verdiente ich gerade mein Klarinettenstudium. Ja, absurd, aber letzt und endlich vielleicht ein Segen, säße ich jetzt doch wahrscheinlich in irgend einem Orchestergraben und sähe die Opernsänger von unten, lol. Was für Aussichten!
Ende der 70er habe ich Free Jazz gespielt und es war eine Befreiung nach all den Jahren eingeengter Notendudelei. Der Free Jazz in Deutschland war leider sehr dogmatisch und so orientierten wir uns eher an der kreativen holländischen Szene (Instant Composers Pool), denen es 'erlaubt' war, auch zusammenhängende Melodien in das freie Spiel einzubauen. In dieser Form fand ich die Bandbreite von Ausdrucksmöglichkeiten, die ich immer gesucht hatte.
In einer Unmenge an soziokulturellen, politischen, musiktheatralischen Projekten und vor allem in der Straßenmusik fanden wir in den 80ern zu der Form von Musiktheater, das wir heute machen.
Warum ich das alles schildere: Musik war für mich immer eingebunden in den gesellschaftlichen Prozess, keine l'art pour l'art, die man lehrte, lernte und auf Konzerten ausstellte, sondern Gebrauchskunst abseits des kommerziellen oder subventionierten Musikbetriebes.
Während dieser Arbeit beobachte ich natürlich den gesellschaftlichen Prozess und stelle mit Erschrecken fest, dass die Unterrichtsmethoden an Musikschulen im Grunde nach den gleichen Regeln ablaufen, wie vor 40 Jahren. Und dass, obwohl sich die kulturelle Landschaft inzwischen völlig verändert hat. Die klassischen Etüden sind bei 'fortschrittlichen' Lehrern durch Scales & Arpeggios ersetzt und man lernt jetzt Jazz! Aber es ist ein verschulter Jazz und das hört man ihm leider an. Es ist eine Musik, die von der gesellschaftlichen Situation losgelöst ist, in keinerlei gesamtgesellschaftlicher Tradition eingebunden (wie früher die klassische Musik auch).
Der 'fortschrittliche' Saxophonlehrer gibt heutzutage Unterricht in Jazz und das nach Methoden, wie er sie selbst vor 40 Jahren aus dem Klassikunterricht gelernt hat. Weder hat die Musik all zu viel Wurzeln in unserer Gesellschaft, noch haben die Methoden etwas mit der Musik gemein, was man unter anderem schon am Notenbild ablesen kann. Swing noch Bluenotes z.B. haben hier noch keinen Eingang gefunden.
Jazz ist zur neuen Kunstmusik geworden und stirbt seinen langsamen Tod in deutschen Schulzimmern. Lebendige, gesellschaftsbezogene, aktuelle Musikformen wie der Rap sind unter dem Niveau der geflissentlichen Pädagogen, wertvoll nur das, was kulturell hochstehend.
Die Musik und die Art und Weise, wie sie vermittelt wird, bedingen sich. So ist die notierte Orchestermusik die Musik eines hierarchischen Systems, Herrschaftsmusik, wie ich es nenne und sie wird dementsprechend gelehrt.
Ich plädiere für eine neue Volksmusik. Eine demokratische Musik und die fängt bei jedem selbst an. Und wie jede Volksmusik, so soll auch diese musikalisch tradiert werden, durch Abgucken, Nachspielen und Einbringen aktueller neuer Trends.
Sie wird in diesem Sinne gar nicht gelehrt, sondern durch erfahrene Musiker weitergegeben.
..so, ich hoffe, dass war jetzt nicht zu wirr auf die Schnelle. Die Zusammenhänge sind recht komplex und eine geradlinige Beantwortung deiner Frage somit kaum möglich.